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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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das langerwartete Ehrenfest des großen Dürer die Leute höhern Standes herbeigezogen.
    Das Wetter hatte sich völlig aufgeklärt, und ein heiterer Himmel, dem die lustigen Morgenwinde jedes Wölkchen wie eine Träne weggetrocknet, lagerte sich über die sonnenhelle Gegend. Die Anmut der Witterung verfehlte keineswegs ihre Wirkung auf die Gemüter der Menschen, welche sich mit Freiheit und Lust bewegten. So kam es, daß die Gaststube des ehrenwerten Herrn Thomas schon am frühen Morgen von Gästen erfüllt war, welche Wein tranken, wie sie ihn eben erhielten, schlechten und guten, und dabei lärmten und jubilierten.
    Herr Thomas hatte noch nie solchen zahlreichen Zuspruch gehabt. Er rief, indem er sich vor die Brust schlug: »O du allmächtiger Albrecht Dürer! dir habe ich das zu verdanken; du bist besser als der heilige Sebaldus, der bloß zerbrochene Bouteillen leimt.« Dazu tanzte er – konnte es unbemerkt geschehen – etwas auf einem Beine und krähte: »O Nürnberg, du edler Fleck!« prügelte auch erklecklicher als sonst mit der Katzenpeitsche den neuen Kellner, der sich niemals entschließen konnte, ob er den rechten Fuß zuerst vorsetzen sollte oder den linken, so lange, bis er in den Parforceschritt geriet und, dabei kläglich stürzend, mehr Bouteillen zerbrach als nötig.
    »Nein!« rief in der Stube ein wohlgenährter Kärrner, ein frisches junges Blut, dem man die Lebenslust ansah (er pflegte hübsche kurze Waren feilzuhalten), »nein, mit Freuden verlier’ ich zwei, auch wohl drei Laubtaler und fahre nicht nach Fürth und bleibe hier, um das Wunder zu sehen, das der alte Dürer schon wieder geschaffen, und wenn ich daheimkomme, dem Weibe zu erzählen, wie mich das so recht an Herz und Seele erlabt, was aus des alten fleißigen Herrn Werkstatt kommt. Nehme auch wohl ein Stücklein Kreide und zeichne auf den großen schwarzen Tisch des Meisters Gebilde nach, so gut es meine rohe Faust vermag, und da kann sich das Weib alles so ziemlich versinnlichen, und darüber hat sie denn große Freude.«
    »Ei,« begann ein schwarzgebrannter Geselle von Kärrner, »ei, nehmt, Kamerad, bei diesen dürren Zeiten den Verdienst von zwei, drei Laubtalern immer mit, der Euch entgehen würde, wenn Ihr nicht noch heute nach Fürth kommt, und schert Euch den Teufel um Dürers Fest. Macht’s wie ich; ich gehe, sobald ich diesen Römer geleert, den der heilige Sebald mir gesegnen möge. Glaubt Ihr, törichter Mann, daß der Kaisersaal mit seinen Wundern, zumal wenn Dürers Gemälde ausgestellt ist, für Euch und Leute unseres Standes überhaupt geöffnet sein wird? Der Dürer ist ein vornehmer Mann geworden, der bloß für die hohen Fürsten und Potentaten malt und unsereins nicht mehr achtet. Bekämen wir nicht seine schönen Bilder in den Kirchen zu sehen, so würden wir gar nichts mehr von ihm wissen.«
    »Ei,« sprach ein Nürnberger Bürger, hinzutretend, »ei, wie möget ihr doch so sprechen, ihr lieben Leute, wie möget ihr von uns Nürnberger Bürgern solch schlechte Meinung hegen, daß wir abgeartet, nicht freier Volkssitte treu bleiben sollen. Sowie die hohen Herrschaften den Kaisersaal verlassen und die Gänge nur ein wenig Luft erhalten, werden Türen und Tore für jedermann geöffnet, und der Geringste aus dem Volk kann sich an den Wundern, die sich ihm auftun, erlaben.
    Und was unsern Dürer betrifft, so ist er ein Mann des Volks, aus dem er geboren, Hort und Heil der edlen Stadt Nürnberg – Stütze der Armen – Zuflucht der Bedrängten – Trost und tätige Hilfe jedem, der ihn bedarf – und viel lieber in den Kreisen des biedern bürgerlichen Standes, in dem Treuherzigkeit herrscht und freier unbefangener Sinn statt falscher Salbaderei und Knechterei ohne Ende, wie wohl solches Gift oftmals bei den Vornehmen herumschleicht. Vorzüglich hegt und pflegt er jedes aufkeimende Talent, er mag es finden, wo er will.«
    Bei diesen Worten warf der Bürger dem Kärrner einen schlauen Blick zu, der Kreidezeichnung gedenkend. Dieser schlug aber die Augen nieder und lispelte: »O Gott! sollte etwas darin stecken?«
    »Silentium!« schrie eine drohende Stimme, die keinem andern gehörte als dem tollen, halbbetrunkenen Drechslermeister Franz Weppering, über dem Tische herüber: »Silentium! und sollte ich ganz allein gegen euch Meisters meinen herrlichen Jungen, mein Herzblatt, meinen herzlieben Zuckermann, verteidigen, so tue ich es hiemit und fordere vorzüglich die Jugend auf, der das Herz am rechten Flecke
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