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Werke

Werke

Titel: Werke
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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auf Erden zu finden – offenbarte sich in einer Wahrheit des Ausdrucks, der Farbengebung, in einer Natürlichkeit der Stellungen, die alles hinreißen und seinen Bildern jene eigentümliche Anziehungskraft geben mußte, die tief in die Seele des Beschauers eindringt. Die Wahrheit des Ausdrucks erhob auch die Bildnisse der Bürgermeister oder anderer Personen, welche er abkonterfeite, zu Meisterstücken der Kunst, die die allgemeine Bewunderung erregten.
    Wurde nun Albrecht Dürer hoch gepriesen und gelobt, so ging’s dagegen seinem Kameraden Dietrich desto schlechter, an dessen Gemälden zuletzt nicht einmal das wirklich Lobenswürdige gelobt, sondern das Ganze mit dem Ausdruck ›Stümperarbeit‹ verworfen wurde.
    Da entzündete sich in der Brust des Jünglings zum wütendsten Haß der Groll, der schon in des Knaben Busen gelegen, und jeder Tag, jede Stunde entwickelte eine Menge der durchdachtesten Bosheiten, die gegen Dürer gerichtet waren und oft nur zu sicher, nur zu verderblich trafen.
    Erlaß es mir, mein Kind, dir die Reihe solcher Bosheiten aufzustellen. Das Gemälde, wie Bösewichter es anfangen, einem großen tugendhaften Mann zu schaden, würde dein reines Gemüt nur verletzen, und es bedarf dessen nicht.
    Dürer bekämpfte den Haß seines Kameraden, so wie es in seiner schönen Seele lag, mit zuvorkommender Liebe und schien wirklich wieder etwas über das starre Gemüt zu gewinnen. Doch alles änderte sich, alle gute Aussicht ging verloren, als ein italienischer Maler, namens Solfaterra, mit einer ansehnlichen Sammlung italischer Gemälde nach Nürnberg kam.
    Von diesem Augenblick war Dietrich wie vom Wahnsinn ergriffen; er sah und hörte nichts als italische Kunst; und üppige Bilder erfüllten seine Einbildungskraft. Doch noch Schlimmeres als dies.
    Solfaterra war ein verworfener, allen bösen Lüsten, allen Verbrechen ergebener Mensch, und mit ihm ergab sich der unglückliche Dietrich dem Laster mit aller Wut, die in dem gärenden Blute kochte. Dabei teilte Solfaterra den Haß Dietrichs gegen Dürer schon darum, weil ein sündhaftes Gemüt Ärgernis nimmt an dem frommen Sinne, der Werke schafft, die aus dem Gemüte kommen und zum Gemüte strömen. Man sagt, Solfaterra habe dem jungen Albrecht nach dem Leben getrachtet.
    Doch nun, Mathilde, meine herzliebe Tochter Mathilde, horche wohl auf, was die Stimme des Schicksals zu deinen Eltern, zu dir so warnend spricht, daß es sündlicher Frevel wäre, ihrer nicht zu achten.
    Raphael ist seines Vaters treues Ebenbild. Ebenso wie dieser war jener mit allen geistigen und körperlichen Vorzügen des vollendetsten Jünglings geschmückt. Ebenso wie jener übt er die verführerische Kraft des Satans selbst über die Jungfrauen – ebenso wie du, unglückliche Mathilde, kam die schöne tugendhafte Rosa, des edeln Patriziers Im-Hof einzige Tochter, in flammende Liebe zu dem Verworfenen. Er verführte sie und verschwand mit ihr in dem Augenblick, als der Rat Bübereien und Mordverdachts halber ihn samt dem saubern Solfaterra zur Haft bringen lassen wollte, mit Schande und Schmach bedeckt.
    Nach mehrerer Zeit stieß ein Nürnberger Kaufmann, der sich gerade in Neapel befand, auf ein Bettelweib, die lang ausgestreckt auf den Marmorstufen der Kirche des heiligen Januar lag, und der mühsam von einem bildschönen, fünf- bis sechsjährigen Knaben Klostersuppe eingeflößt wurde.
    Das Bettelweib war ein Weib des tiefsten Jammers und Elends, und der Tod hatte bereits ihre Lippen gebleicht. Der Knabe sprach zur Verwunderung des Kaufmanns deutsch, und in wenigen Worten hatte er die Geschichte ihres Verderbens erfahren.
    Der Vater, ein Maler, hatte Weib und Kind am fremden Orte hilflos verlassen. Bei der Frau kam alle Hilfe zu spät; sie verschied nach wenigen Augenblicken und wurde von den Klosterknechten weggebracht. Den Knaben nahm der Kaufmann mit nach Nürnberg. Der Maler, welcher Weib und Kind verlassen, war aber Dietrich Irmshöfer – das Bettelweib Rosa.« –«
    Mit einem krampfhaften Schrei fuhr Mathilde von ihrem Taburett auf. In dem Augenblick ging indessen die Türe auf, und Herr Doktor Mathias Salmasius trat herein.
    Das Gespräch wandte sich, und was nun verhandelt wurde, soll der geneigte Leser bald so viel erfahren, als es der Geschichte frommt.
Drittes Kapitel
    In dem Gasthofe zum »Weißen Lamm« ging es unterdessen sehr lebhaft zu. War es, daß der einfallende Jahrmarkt zu Fürth die Leute niedrigerer Volksklasse zusammengetrieben, so hatte dagegen
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