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Wer liest, kommt weiter

Wer liest, kommt weiter

Titel: Wer liest, kommt weiter
Autoren: Friedrich Denk
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ihnen diskutieren können. Dazu mehr im 6. Kapitel, in dem das Lesen als Gespräch beschrieben wird.
    Doch zunächst soll der Zusammenhang zwischen Lesen und Denken genauer analysiert werden.

    Wer liest, denkt mit und denkt nach
    Man kann denken, ohne zu lesen; aber man kann nicht lesen, ohne zu denken. Der Zusammenhang von Lesen und Denken wurde früh erkannt, ist aber weitgehend vergessen. Für die Griechen, die immer laut gelesen haben, war das ohnehin klar, weil sie für »sprechen, meinen, erzählen, vorlesen« dasselbe Wort hatten, nämlich »legein«, das erkennbar mit dem Wort »logos«, Sprache und Vernunft, zusammenhängt.
    Im Lateinischen gibt es einen ähnlichen Zusammenhang zwischen »legere« (sammeln, auswählen, lesen) und »intellegere« (»dazwischen-auswählen«: wahrnehmen, denken) und »intellegentia« (Vernunft, Einsicht, Kenntnis).
    Über den direkten Zusammenhang zwischen Lesen und Denken schrieb wohl als erster der eben erwähnte Philosoph Seneca im 84. der Moralischen Briefe an Lucilius:
    Diese Lektüre aber ist für mich, wie ich glaube, unentbehrlich, erstens, um nicht mit mir allein zufrieden zu sein, sodann, um, wenn ich mich mit den Forschungen anderer bekannt gemacht habe, mir ein Urteil zu bilden über den Wert ihrer Entdeckungen und auf weitere Entdeckungen auszugehen. Die Lektüre nährt den Geist (alit lectio ingenium)  ...
    Diese für alle, die lesen, so ermutigende Wahrheit wurde seither öfters ausgesprochen.
    Augustinus zum Beispiel erzählt im 6. Buch seiner Bekenntnisse (um 400), wie der Mailänder Bischof Ambrosius in den Pausen zwischen Gesprächen mit Hilfesuchenden den Körper mit der nötigen Nahrung oder den Geist mit Lektüre erfrischte (reficiebat ... lectione animum).
    Auch Georg Christoph Lichtenberg verglich um 1790 im 10. Heft seiner Sudelbücher das Essen und das Lesen und ihre Bedeutung für Körper und Geist:
    Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so wie das, was ich gegessen habe; ich weiß aber so viel, beides trägt nichtsdestoweniger zur Erhaltung meines Geistes und meines Leibes bei. Ref 2
    Johann Adam Bergk schließlich betonte in seinem Buch über Die Kunst, Bücher zu lesen (1799): Bücher verlangen Nachdenken; der Mensch muß also seine Denkkraft anstrengen, um den Inhalt derselben zu begreifen. Durch diese Anstrengung übt er den Verstand und die Vernunft. Und in seiner Kunst zu denken (1802) schreibt er ein ganzes Kapitel über Das Bücherlesen als eine Denkübung betrachtet. Vielleicht hat J. A. Bergk diese Erkenntnis bei Joseph Addison gefunden, der diese Aussage über das Lesen vielleicht am schönsten formuliert hat:
Reading is to the mind what exercise is to the body.
Was der Sport für den Körper ist, ist das Lesen für den Geist.
    Lesen ist also immer auch Denksport, ob ich nun Aristoteles, Thomas Mann, Harry Potter, Die Zeit, die Süddeutsche, die F.A.Z. oder die Bildzeitung, einen Reiseprospekt oder eine Gebrauchsanweisung lese – immer muß man, wenn auch auf ganz unterschiedlichem Niveau, beim Lesen denken.

    »Lesen« heißt ja, wie lateinisch »legere« und griechisch »legein«, »sammeln«, Buchstaben sammeln. Sodannmußmanden-SinndereinzelnenWörterunddanndesganzenSatzeserkennen.
    Auch dies geht natürlich nicht ohne Denkarbeit. Etwa 300 Wörter pro Minute, etwa 1500 Buchstaben, verarbeitet unser Gehirn beim Lesen, was die Psychologen genau untersucht haben. Natürlich merken wir das nur noch selten, weil uns das Lesen leicht fällt. Aber wir sehen es bei den Kindern, die mit dem Finger die Zeilen entlangfahren, um die Buchstaben zu sammeln und zusammenzufügen und dann oft genug noch die Silben lang – sam vor sich hin – spre – chen. Und wir merken es noch, wenn wir Texte in Sprachen lesen, die wir nur teilweise beherrschen, weshalb uns dabei manchmal der Schädel brummt.
    Die Nützlichkeit der Lektüre wird meistens auf den Inhalt bezogen. Nützlich ist die Lektüre aber auch und vielleicht vor allem, weil wir geistige Fähigkeiten üben können: zuerst das Denken, Mitdenken und Nachdenken. Warum wird das so selten ausgesprochen?
    Diese Erkenntnis sollte doch in den Büchern der Hirnforscher zu finden sein? In der Tat eröffnen Maryanne Wolf in Das lesende Gehirn (2009) und Stanislas Dehaene in Lesen. Die größte Erfindung der Menschheit und was dabei in unseren Köpfen passiert (2010) interessante Einblicke in die komplexen Vorgänge, die sich beim Lesen in unseren Köpfen abspielen.
    Daß das Lesen vor
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