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Wer ist eigentlich Paul?

Wer ist eigentlich Paul?

Titel: Wer ist eigentlich Paul?
Autoren: Anette Göttlicher
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miteinander ins Bett gehen. Es gibt Leute, die sich kennen lernen und drei Monate später heiraten, und es gibt Pärchen, die seit Ewigkeiten zusammen sind und deren Freundeskreis trotzdem immer wieder die Frage «Ist das eigentlich was Festes zwischen Julia und Lars?» erörtert. Nichts ist mehr klar und einfach, wenn es um das Thema Beziehung geht. Sodom und Gomera, würde Vroni dazu sagen und desillusioniert abwinken. Marc-der-zum-Arschloch-wurde, mein Freund Martin und seine Besessenheit mit der Schlampe Viola, Simon, den nur Frauen interessieren, die mindestens fünf Jahre älter sind als er, und auch Paul, der wieder mal vom Erdboden verschwunden ist, passen genau in dieses Muster.
     
    Vielleicht mache ich mir aber auch zu viele Gedanken. Vielleicht möchte er’s einfach langsam angehen lassen, die Zeit der Schmetterlinge genießen. Schön und gut. Lange stehe ich das nicht mehr durch. Ich bekomme Magenschmerzen von dieser Ungewissheit. Und jetzt muss ich mir auch noch Sorgen um Paul machen. Lieber Gott, bitte lass ihn nicht in Bagdad sein.
     
    Ich klappe das Notebook zu und beschließe, dass ich nichts tun kann außer abwarten, hoffen und mich in dieser Zeit so wenig wie möglich verrückt machen. Also zurück zu meinem ursprünglichen Vorhaben – heute Abend mit den Mädels «Sex and the City» gucken.
    Vroni ist sofort dabei, Marlene sagt zu, als ich beiläufig meinen Avocadosalat erwähne, für den ich berühmt bin. Beate, entnehme ich ihrer Mailbox-Ansage, ist gerade auf Tournee durch Mecklenburg-Vorpommern, aber Alexa kommt gerne vorbei.
     
    Ist es eigentlich normal, dass man seine aktuellen Probleme in der fiktiven Welt wiederfindet? Egal, welche T V-Serie ich mir ansehe, in welchen Kinofilm ich gehe oder welches Buch ich gerade lese – überall geht es um meine Situation. Bestes Beispiel: «Sex and the City» vom 4.   Februar 2003 – Folge eins der vierten Staffel, «Agonie und Ex-tase». Samantha, die Frau, die bisher noch alle Männer gekriegt hat, beißt sich an einem knackigen Priester die Zähne aus. So, wie ich mir an Paul die Zähne ausbeiße. Carrie hat Geburtstag, und Sam organisiert für sie eine Party in einem angesagten Lokal. Alle kommen zu spät. Carrie ist deprimiert – sie ist nun schon 35 und hat immer noch keinen «besonderen Mann» an ihrer Seite. Ja, Schwester, ich verstehe dich. Ich finde, ich habe viel gemeinsam mit Carrie. Ich schreibe Kolumnen, lebe in einer spannenden Großstadt, bin blond, suche nach dem Mann mit dem gewissen Etwas. Auch ich habe einen attraktiven Exfreund und weiß bis heute nicht genau, warum das mit ihm und mir nicht dauerhaft hielt. Gut, Neuhausen ist nicht Manhattan, meine Klamotten sind mindestens zwei Nummern größer als Carries, und selbst mein ausgeflipptestes Oberteil würde von Miss Bradshaw mit einem müden Gähnen zur Altkleidersammlung gegeben werden. Aber dafür bin ich sieben Jahre jünger als sie. Ich habe also noch viel Zeit. Denn meine Anzahl von Lovern ist noch nicht annähernd so groß, dass ich es damit im Negligé auf einen Linienbus schaffenwürde. «Marie Sandmann knows good sex» – hört sich auch irgendwie komisch an. Die Passagiere der Linie, die vom Marienplatz zum Tierpark Hellabrunn fährt, würden sich bestimmt wundern.
     
    «Was meinst du, Marie?», fragt Marlene und stupst mich in die Rippen.
    «Äh, was   …?»
    «Träumst du schon wieder von Paul?»
    «Quatsch. Der ist in   … ach, vergiss es. Paul ist momentan kein Thema.»
    «Verstehe», sagt sie, «denk einfach daran, was Charlotte in der Serie eben gesagt hat: Das Wichtige im Leben sind deine Freundinnen. Sie sind deine wahren Seelenverwandten. Männer sind nur zum zwischenzeitlichen Spaßhaben da.»
     
    Marlene grinst, aber ich merke, was sie mir damit sagen will. Sie würde nie theatralisch werden. Auf Leute, die sie nicht so gut kennen, wirkt sie oft distanziert bis leicht überheblich, aber ich weiß, dass das eben eine Art Liebeserklärung unter Freundinnen war. Ich ziehe meine Beine an mich und kuschle mich auf dem Sofa zwischen Marlene und Vroni. Und ich fasse einen Vorsatz. Ich werde mich wieder mehr um meine Freundinnen kümmern. Ich bin so mit mir selbst und Paul beschäftigt, dass ich gar nicht mehr auf dem Laufenden bin. Ich werde die Zeit nützen. «…   zumindest bis zum 20.   Februar, wenn Paul wieder da ist!», höhnt das Teufelchen auf meiner linken Schulter leise, aber vernehmlich. Engelchen lässt sich natürlich wieder mal nirgends
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