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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott
Autoren: Anselm Gruen
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Kraft in meine Angst oder Depression hineinströmt. Das hat oft eine heilende Wirkung.

     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Es gibt unterschiedliche Formen von Beten: mit Gott über Dinge zu sprechen, Gott um etwas zu bitten und dann gibt es noch rituelle Gebete. Ich denke, alle genannten Formen des Gebetes haben ihre Berechtigung. Ich habe Gespräche mit Gott in Zeiten von Depression, Angst und Verzweiflung als sehr hilfreich erlebt.
    Meditative Gebete scheinen mehr zu unserem Wohlsein beizutragen als spezifische Bittgebete oder Unterhaltungsgebete. Die Ruhe und die Stärke, die aus ihnen erwächst, können zur Heilung beitragen und Menschen bei ihrer Auseinandersetzung mit Krankheit und Tod helfen. Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass Meditation und Kontemplation positiven Einfluss haben auf ein längeres Leben und eine größere Aktivität im hohen Alter.
    Dann gibt es das Beten als Anbetung, als Preisen Gottes aus einem Gefühl der Dankbarkeit und Liebe heraus. Meister Eckhart sagt: »Wenn ein Mensch nie mehr zu tun hatte mit Gott, außer, dass er dankbar ist, dann ist das genug.« Dankbarkeit ist eine der höchsten Formen von Gebet und einer der nobelsten menschlichen Akte, zu denen wir fähig sind. Dankbarkeit kann ganz viel dazu beitragen, uns wohlzufühlen.
    Bei diesem Beten geht es nicht nur oder vielleicht auch nicht in erster Linie darum, Gott um eine Gunst zu bitten, so als ob Gott - wie es Meister Eckhart einmal in einem Bild veranschaulichte - eine Kuh wäre, an die wir uns wenden, um Milch zu bekommen. Sind wir »fertig« mit der Kuh, dann sagen wir »goodbye«. Und wenn wir fertig sind mit dieser Art von Gebet, dann sagen wir zu Gott »goodbye«.

    Menschen, die die Verbundenheit mit Gott suchen, indem sie offen bleiben für den Willen Gottes oder des Göttlichen, ziehen einen größeren Profit aus dem Gebet als solche, die für ganz bestimmte Dinge, die es ihrer Meinung nach zu verändern gilt, beten. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die mit ihren eigenen Worten beten, ein größeres Wohlbefinden daraus ziehen als solche, die vorgeschriebene, sich als Ritual vollziehende Gebete sprechen.
    Auch gibt es beim gemeinsamen Beten, wie das zum Beispiel in einem Gottesdienst der Fall ist, eine soziale Dimension, die sich positiv auf unsere Gesundheit auswirkt. So hat die Teilnahme an Gottesdiensten - sei es in einer Kirche, einer Synagoge oder in einer Moschee - mit dem Ziel, die Gesundheit zu fördern, positive Auswirkungen auf diese Menschen.Wenn jemand an einer Krankheit leidet und einen Gottesdienst besucht, in der Hoffnung, dadurch geheilt zu werden oder einfach Unterstützung und Trost zu finden - was kann dagegen sprechen? Die Kraft des Glaubens wird in dem Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker auf einzigartige Weise bezeugt.

GOTT UND DIE LIEBE

»Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm«
    WUNIBALD MÜLLER: Gott ist die Liebe. Das ist nichts Statisches. Liebe will gelebt, geliebt werden. Liebe treibt es um. Sie treibt uns um. Sie lässt sich nicht einsperren in der Tiefe unseres Herzens. Sie verlangt nach Einsatz. Sie zeigt sich in der Leidenschaft. Gott ist die Liebe. Was heißt das, worin zeigt sich das? Ist er die Liebe, die ich spüre, wenn sie sich mir in einer Melodie aus der Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach ankündigt? Ist er die Liebe, die ich in der Begegnung mit einem Menschen, der mir seine Liebe schenkt, konkret erfahren darf? Die Liebe, die ich als Nähe Gottes erfahren darf, wenn ich Gott in mich hineinlasse, ihn bei mir einkehren lasse, mich ihm in Liebe überlasse?
    Als ich vor fast 30 Jahren Carl Rogers, den Begründer der Gesprächspsychotherapie, besuchte und ihn fragte, ob er an Gott glaube, sagte er, dass es für ihn keinen persönlichen Gott gebe, er sich aber vorstellen könne, dass, wenn es so etwas wie Gott gibt, Gott in jeder Person lebt, und Menschen, die sich lieben, Gott sichtbar machen. Das sind freilich
alles nur klägliche Versuche, einige Facetten aufzuzeigen, was damit gemeint sein kann, dass Gott die Liebe ist.
     
     
    ANSELMGRÜN: In meiner Jugend wurden wir von Exerzitienmeistern immer angehalten, wir sollten Gott lieben. Da wurde oft das Wort Jesu selbst zitiert: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft« (Mk 12,30). Aber wenn ich konkret darüber nachgedacht habe, wie ich Gott lieben soll, dann war ich oft ratlos. Ich kann Gott
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