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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: Manuela Martini
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nahm mir – gegen den Protest meiner Eltern – das Essen mit in mein Zimmer.
    Dass ich mich keiner Freundin anvertrauen konnte, sagte ich ja schon. Ich wollte ja nicht noch jemanden in unser schreckliches Geheimnis reinreißen! Ich zog mich zurück, wusste nicht mehr, worüber ich reden sollte, denn das, was mich wirklich bewegte, musste ich ja für mich behalten. Ein Glück, dass Claas auf eine andere Schule ging als ich, sonst hätten sie sicher alle über uns gelästert und sich gewundert, warum wir uns noch nicht mal mehr ansahen.
    In der Schule fragten mich zwei Lehrer, ob ich Probleme zu Hause habe, und rieten mir zu einem Termin mit dem Schulpsychologen. Natürlich sagte ich Nein.
    Ich dachte an nichts anderes mehr als an die Höhle, an das blutige Gesicht, an den Moment, als wir den toten Körper in die Felsspalte rollten.
    Und es sollte noch schlimmer kommen: Claas rief mich eines Tages aufgeregt an und fragte, ob ich schon meine Mails gecheckt hätte.
    Ich musste schlucken. Nicht schon wieder eine Horrormeldung. Mit einem mulmigen Gefühl öffnete ich meine Mails. Fett und breit stand da: Deponiert das Geld in der Villa, am Karfreitag.
    »Wir sollen noch mal dorthin fahren?«, fragte ich Claas entsetzt.
    »Wir treffen uns in einer Stunde im Starbucks.« Er legte auf.
    Diesmal kam ich als Letzte. Die drei saßen da, als hätten sie gerade ihren Haftbefehl ausgehändigt bekommen.
    Es stellte sich heraus, dass wir alle die gleiche Mail bekommen hatten. Deponiert das Geld in der Villa, am Karfreitag.
    »Das ist doch eine Falle, oder? Ich mach da nicht mit«, sagte Julian.
    »Also ich fahr da bestimmt nicht noch mal hin«, sagte Tammy und krallte ihre Finger so fest um den Becher, dass die Knöchel weiß wurden.
    Ich war derselben Meinung.
    Claas schob die Brille hoch. »Also Leute, ich möchte da auch nicht wieder hin, aber euch ist schon klar, was auf dem Spiel steht, oder? Wenn uns der Typ verpfeift, landen wir im Knast. So hab ich meine Zukunft nicht geplant. Ihr etwa?«
    »Scheiße!« Julian fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht, er sah noch ausgelaugter aus als beim letzten Treffen. »Warum ist das nur passiert? Warum konnten wir nicht …«
    »Hör auf!«, unterbrach ihn Claas grob. »Rumjammern nutzt nichts! Wir müssen was tun!«
    Julian sank in sich zusammen. Was hatte dieser Sommer nur aus uns gemacht? Sonst war Julian doch von den beiden immer der Stärkere gewesen. Ich bin ganz sicher – in Claas’ Augen hab ich ein Aufblitzen von Triumph bemerkt.
    Niemand sagte etwas, bis Claas wieder anfing: »Tammy will Schauspielerin und Model werden. Ihre beste Zeit sitzt sie im Knast ab. Du, Julian, willst dich noch nicht mit diesem Abschaum abgeben, oder? Stell dir mal vor, mit asozialen Wichsern in einer Zelle zu hocken. Würde dir sicher nicht gefallen. Und Mel – deine hochkarätige Dolmetscherkarriere ist im Arsch. Und ich will nach Oxford – nicht in den Knast. Wir kriegen das geregelt. Wir fahren hin und schnappen uns das Arschloch.«
    Warum wir alle Ja gesagt haben?
    Frag mich was Leichteres.
    Diesmal hatten wir einen Plan, so schien es. Wir waren alle wütend auf diesen Unbekannten und wir waren entschlossen, unsere Zukunft nicht so einfach aufzugeben.
    Im März vor dem Abi sind wir also wieder nach Les Colonnes gefahren.
    Unseren Eltern sagten wir, wir wollten über Ostern gemeinsam fürs Abi lernen – Tammy hatte zwar noch ein Jahr Zeit, würde aber mitkommen.
    Julian war vergangenen Monat achtzehn geworden und hatte einen 1er-BMW bekommen. Mit dem fuhren wir los.
    Die Fahrt dehnte sich endlos. Nicht nur, weil es hinten drin eng war und ich die ganzen neun Stunden Fahrt eingepfercht hinten saß, sondern auch, weil wir ständig laut darüber nachdachten, was uns in Les Colonnes wohl erwarten würde.
    Selbst wenn wir eine kurze Pause machten, fing einer von uns garantiert mit der Frage an, wer wohl ins Haus kommen und uns das Geld abnehmen würde.
    »Und wenn es Henry Paige persönlich ist?«, meinte Claas. Wir hatten gerade in der Nähe von Mailand zum Tanken angehalten und waren durch den Nieselregen zu den Toiletten und wieder zurückgelaufen.
    Julian drehte sich um, bevor er den Motor wieder anließ. »Das ist doch totaler Bullshit, Claas! Was redest du für eine Scheiße?«
    Wir erreichten Les Colonnes gegen halb zwölf mittags.
    Du erinnerst dich doch, was ich am Anfang gesagt habe? Es rieche nach Zitronen, der Himmel und das Meer seien von einem strahlenden Blau?
    Das war im
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