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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht
Autoren: Italo Calvino
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Seitenzahl pochend, als genüge das schon, um die ganze Unordnung offenbar zu machen. »Wissen Sie, was Sie mir da verkauft haben. .. Sehen Sie nur. .. Grad, wo's am schönsten war!«
    Der Buchhändler bleibt gelassen. »Aha, also auch bei Ihnen. Wir hatten schon mehrere Reklamationen. Und grad heute morgen ist ein Rundschreiben vom Verlag gekommen. Hier, sehen Sie: >Bei der Auslieferung unserer neuesten Titel hat sich gezeigt, daß ein Teil der Auflage von Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht, leider defekt ist und aus dem Verkehr gezogen werden muß. Durch ein Versehen der Bindeanstalt sind die Druckbogen des genannten Buches mit denen einer anderen Neuerscheinung, des polnischen Romans Vor dem Weichbild von Malbork von Tazio Bazakbal, durcheinandergeraten. Der Verlag bittet, diesen bedauerlichen Zwischenfall zu entschuldigen, und wird dafür Sorge tragen, daß die defekten Exemplare umgehend ausgetauscht werden< usw.. .. Sagen Sie selbst, soll nun ein armer Buchhändler für die Nachlässigkeit anderer büßen? Schon den ganzen Tag lang machen wir uns hier verrückt. Wir haben alle Calvinos einzeln durchgesehen. Ein paar sind zum Glück noch in Ordnung, wir können Ihnen daher den verunglückten Reisenden sofort gegen einen nagelneuen in einwandfreiem Zustand umtauschen.«
    Moment mal. Konzentriere dich. Ordne die Vielzahl der Informationen, die da eben auf dich eingestürzt sind. Ein polnischer Roman. Dann war also der, den du mit soviel Anteilnahme zu lesen begonnen hattest, gar nicht von Calvino, sondern von einem Polen. Und das Buch, das du jetzt so dringend brauchst, ist das andere. Laß dir nichts vormachen. Sag klar, wie die Lage ist. »Nein, sehen Sie, mir liegt jetzt nichts mehr an diesem Calvino. Ich habe den Polen zu lesen begonnen und will jetzt den Polen weiterlesen. Haben Sie ihn da, diesen Bazakbal?«
    »Ganz wie Sie wünschen. Eben erst war eine Kundin hier, die hatte dasselbe Problem und wollte auch mit dem Polen tauschen. Bitte sehr, dort auf dem Tisch liegt ein Stapel Bazakbal, dort drüben, genau vor Ihrer Nase. Bedienen Sie sich.«
    »Und wird der Band einwandfrei sein?«
    »Hören Sie, unter diesen Umständen kann ich meine Hand nicht dafür ins Feuer legen. Wenn schon die angesehensten Verlage so ein Durcheinander machen, ist auf nichts mehr Verlaß. Ich sag's Ihnen offen, Sie müssen verstehen, genau wie eben die junge Dame: Wenn es noch einmal Anlaß zu Reklamationen gibt, kriegen Sie Ihr Geld zurück. Mehr kann ich nicht tun.«
    Die junge Dame. Er hat dir eine junge Dame gezeigt. Dort steht sie zwischen zwei Bücherregalen, sucht etwas zwischen den Penguin Modern Classics, fährt prüfend mit einem zierlichen resoluten Finger über die blaß-auberginefarbenen Buchrücken. Große, lebhafte Augen, guter, wohlpigmentierter Teint, reichgewelltes, duftiges Haar.
    So tritt nun, Leser, glücklich die Leserin in dein Gesichtsfeld, oder vielmehr in dein Wahrnehmungsfeld, oder vielmehr, du bist unversehens in ein magnetisches Feld geraten, dessen Anziehungskraft du dich nicht erwehren kannst. Also los, keine Zeit verlieren, ein gutes Thema hast du bereits, um ein Gespräch anzuknüpfen, ein gemeinsamer Boden ist da, überleg mal, du kannst deine umfangreichen Literaturkenntnisse vorzeigen, geh schon, worauf wartest du noch?
    »Also auch Sie, ja ja, der Pole«, sprudelst du in einem einzigen Zuge hervor, »aber das andere Buch, das anfängt und einfach abbricht, was für ein Reinfall! Also auch Sie, wie ich grad höre, ich nämlich auch, wissen Sie? Probieren geht über studieren, ich hab auf das andere verzichtet, um dieses zu nehmen, genau wie Sie, aber was für ein schönes Zusammentreffen, wir beide!«
    Na ja, das hättest du auch ein bißchen geordneter vortragen können, aber die Grundgedanken hast du immerhin ausgedrückt. Jetzt ist sie dran.
    Sie lächelt. Sie hat Grübchen. Sie gefällt dir immer besser.
    Sie sagt: »Ja, wirklich, ich hatte so große Lust auf ein gutes Buch. Bei dem ja nicht gleich am Anfang, aber dann hat's mir doch gefallen. Was war ich wütend, als es dann plötzlich abbrach! Und nun stellt sich heraus, es war gar nicht von Calvino! Es kam mir gleich etwas anders vor als seine sonstigen Bücher. Kein Wunder, es war ja auch von Bazakbal. Bemerkenswert, dieser Bazakbal. Ich hatte noch nie was von ihm gelesen.«
    »Ich auch nicht«, kannst du jetzt beruhigt und beruhigend sagen.
    »Ein bißchen zu unscharf für meinen Geschmack, diese Erzählweise. Nicht daß es
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