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Wenn Alkohol zum Problem wird

Wenn Alkohol zum Problem wird

Titel: Wenn Alkohol zum Problem wird
Autoren: Michael Soyka
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gemeint, die durch ihre unbewusst falschen Verhaltensweisen eher dazu beitragen, dass der Abhängige in seiner Krankheit verbleibt als dass er diese besiegt. Durch ihr – gut gemeintes – Verhalten stabilisieren Co-Abhängige eher das Trinkverhalten des Kranken, da sie ihn vor negativen Konsequenzen bewahren und er so noch weniger Notwendigkeit verspürt, sein Verhalten zu ändern.
Warum trägt »Hilfe« zum Suchtkreislauf bei?
    Ob Familie, Arbeitsgruppe im Betrieb oder andere Gemeinschaften – sie alle stellen irgendwie ein System von sozialen Beziehungen dar, das nur dann gleichgewichtig und ungestört bleibt, wenn alle »an einem Strick ziehen«, also sich so verhalten, dass einer dem anderen möglichst selten unangenehm auffällt und ihn möglichst wenig belastet. Arg belastet ist ein solches System natürlich durch einen Alkoholkranken. Ob nämlich Angehörige oder Mitarbeiter – man hat (fast) täglich die Folgen (z. B. Streit, finanzielle Probleme, Arbeitszeitausfall) auszuhalten, die das häufige Trinken mit sich bringt.
    Meine Meinung
    Ich finde den Begriff »Co-Abhängiger« nicht sehr glücklich
    Der Begriff »Co-Abhängiger« macht grundsätzlich auch den Angehörigen zum »Abhängigen« und so zu einem behandlungsbedürftigen Patienten. Damit sind nicht die (falschen) Verhaltensweisen in der Beziehung zwischen Angehörigem und Kranken Gegenstand der Behandlung, sondern die Person des Angehörigen selbst. Dass auch der Angehörige manchmal einer Behandlung bedarf, ist unbestritten. Ein »Automatismus« aber könnte Ursache und Wirkung der Alkoholkrankheit verkehren, den Alkoholkranken seiner Verantwortung für sich selbst entheben und zu Schuldzuweisungen an die Angehörigen führen – alles Problemfelder, die der Bewältigung der Alkoholerkrankung durch den Betroffenen selbst wenig förderlich sind.
    Familie, Vorgesetzte und Freunde sollten aufhören, die »Beschützerrolle« für den Alkoholkranken zu übernehmen.
    Wie aber ist es zu dieser Situation gekommen? Solange der Betroffene vielleicht witzig, fleißig oder zugänglich war, wurde er – oft gerade wegen dieser Wesenszüge – von allen geschätzt und geachtet. Störend wurde er für Familie, Betrieb und Gesellschaft eigentlich erst, als die genannten unangenehmen Folgen seines Trinkens zu spüren waren. Allerdings hatte ihn sein Umfeld in seinem Trinken auch unterstützt: Vorgesetzte hatten Urlaubsmeldungen geschrieben, wenn er angetrunken zum Dienst erschien, der Partner hatte ihn wegen »Erkältung« entschuldigt, wenn er »blau« zu Hause im Bett lag und nicht arbeiten konnte. Familie, Vorgesetzte und Freunde hatten auf diese Weise eine Art Beschützerrolle übernommen, dem Betroffenen damit aber die Verantwortung abgenommen und so indirekt sein Trinkverhalten gestützt. Die Folge: sinkendes Selbstwertgefühl des Alkoholkranken – und damit ein Grund zum weiteren Trinken, was wiederum die Beschützerrolle des Umfelds verstärkte. Da also der Betroffene keine konkreten Konsequenzen seines Alkoholkonsums verspürt, brauchte er auch sein Verhalten nicht zu ändern. Fünf, zehn, 15 Jahre und länger wiederholt sich das gleiche Spiel!
    Erst, wenn das Umfeld nicht mehr hilft, den Betroffenen gegenüber Freunden, Vorgesetzten usw. nicht mehr entschuldigt und ihn damit die Konsequenzen seines Trinkens deutlich erleben lässt, ist der Betroffene gezwungen, selbst etwas für seine Gesundung zu tun.
    TIPP
    Es treten Probleme zutage, die der Alkohol bisher verdeckt hat
    Oft hoffen Angehörige, dass sich Probleme in der Familie oder Partnerschaft auflösen, wenn der Betroffene mit dem Alkoholtrinken aufhört. Tatsächlich werden aber manche Probleme und Konflikte erst richtig klar, wenn man sie »nüchtern« betrachtet. Hört der Alkoholkranke mit dem Trinken auf, verschwinden Schuldgefühle und er tritt freier und selbstbewusster auf – und wehrt sich stärker gegen Vorwürfe oder spricht nun selbst Dinge an, die ihn stören. Es wird also oft unbequemer, aber auch ehrlicher. Erst jetzt ist aber eine wirkliche Auseinandersetzung möglich. Es ist also gut, wenn Sie nicht gleich das Ende aller Probleme oder einen neuen »Honeymoon« erwarten, sondern sich auf eine langsame und geduldige (Wieder-)Annäherung einstellen.
    Eine betroffene Ehefrau sagte dazu: »Der Weg war hart und viele Konflikte sind erst deutlich geworden, als mein Mann mit dem Trinken aufgehört hat. In der Familie war er zuvor der Sündenbock, wenn er getrunken hatte. Heute haben
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