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Welt im Fels

Welt im Fels

Titel: Welt im Fels
Autoren: Harry Harrison
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es wirklich einen Großen Planer, der ihn beobachtete und ihm alle Wege verlegte? Nein, das konnte nicht wahr sein. Diese Welt war von Menschen entworfen, von Menschen gebaut worden. Er hatte ihre stolzen Berichte gelesen und ihre Gedanken verstanden. Er kannte sogar den Namen des Mannes, den sie den Großen Planer nannten, und wußte, warum er das alles getan hatte.
    Chimal wußte, daß er gescheitert war, durch Pech – und durch Dummheit. Er hatte Glück gehabt, daß er so weit gekommen war. Ein Mann reifte nicht in wenigen Monaten. Er hatte vielleicht das Wissen eines Mannes. Er hatte so viel in so kurzer Zeit gelernt, aber er dachte noch immer wie ein Bewohner des Tales. Wenn er doch geschickter gewesen wäre!
    Hätte er doch nur sein Volk durch die ausgemalte Halle und durch den goldenen Korridor zu den Sternen führen können!
    Und mit diesem Gedanken, dieser Vision, kam der erste Hoffnungsfunke.
    Chimal ging weiter. Wieder war er allein im Tal. Es mußte nur der Regen aufhören und die Sonne herauskommen, dann würde die Jagd auf ihn wieder beginnen. Wie sorgsam würden die Priester ihn am Leben erhalten für die Foltern, die sie für ihn ersinnen und auskosten würden. Jene, die andere das Fürchten lehrten, hatten selbst Angst gehabt, waren feige gerannt. Ihre Rache würde furchtbar sein.
    Aber sie würden ihn nicht kriegen. Schon einmal, als er noch vollkommen unwissend war, war er aus dem Tal geflohen. Warum sollte es ihm nicht wieder gelingen, jetzt, da er wußte, was sich hinter den Felswänden verbarg, wo die Eingänge waren, und wohin sie führten? Es mußte eine Möglichkeit geben, einen von ihnen zu erreichen. Vor ihm, oben über der Wand, war der Eingang, in dessen Nähe er Verpflegung und Wasser versteckt hatte. Wenn er die Stelle erreichte, könnte er sich verstecken, sich ausruhen und weiter planen.
    Doch schon als er das überlegte, wußte er, daß es nicht möglich war. Es war ihm nie gelungen, die Felswand zu übersteigen, als er vollkommen gesund und im Besitz all seiner Kräfte war. Alles war sehr geschickt geplant und so eingerichtet, daß es keinem gelingen konnte, auf diese Art aus dem Tal hinauszukommen. Sogar der Futterplatz der Geier tief unter der Felsenoberkante würde unerreichbar sein, wenn nicht durch irgendeinen Zufall ein Stück aus der überhängenden Simskante herausgebrochen worden wäre.
    Plötzlich blieb er stehen und lachte, bis er einen Hustenanfall bekam.
    Das war es! Das konnte der Ausweg sein. Jetzt hatte er ein Ziel, und er schritt trotz der Schmerzen in dem strömenden Regen zügig voran. Als er die Felswand erreichte, war der Regen in ein leichtes Nieseln übergegangen, und der Himmel wurde wieder heller. Die Götter hatten einen Fingerzeig gegeben; sie hatten nach wie vor die Herrschaft. Das ganze Tal zu überfluten hätte ihnen nichts eingebracht.
    Nur waren sie keine Götter, sondern Menschen, fehlbare und dumme dazu, deren Aufgabe längst beendet war, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollten.
    Durch Regenschleier sah er die massige Pyramide, aber es war still dort, und nichts rührte sich. Wenn die Priester zurückgekehrt waren, saß sie jetzt in ihren tiefsten Kammern hinter verriegelten Türen. Er lächelte. Wenn er sonst nichts erreicht hatte, dann hatte er ihnen einen Schreck eingejagt, den sie nie mehr vergessen würden. Wenigstens eine kleine Vergeltung für das, was sie seiner Mutter angetan hatten.
    Als Chimal an der Stelle unter dem Sims ankam, ruhte er sich erst einmal aus. Der Regen hatte aufgehört, aber das Tal war in Nebel gehüllt. Seine linke Seite brannte, und als er hinfaßte, hatte er Blut an der Hand. Das durfte ihn aber nicht an seinem Vorhaben hindern. Dieser Aufstieg mußte ausgeführt werden, während die Sicht noch behindert war, damit weder die Dorfbewohner noch die Beobachter ihn dabei sehen konnten. Die Beobachtungspunkte oben am Himmel würden jetzt unbrauchbar sein, aber es könnten andere in der Nähe sein, mit denen man ihn vielleicht entdecken konnte. Gewiß würde bei den Beobachtern jetzt beträchtliche Aufregung und ein heilloses Durcheinander herrschen, und je eher er seinen Plan ausführte, desto besser waren seine Aussichten, unbeobachtet zu bleiben.
     
    Die einzige Erinnerung, die er danach an den Aufstieg hatte, waren die Schmerzen. Sie hatten seinen Blick verschleiert, daß er kaum etwas sehen konnte. Die Finger mußten tastend ihren Halt suchen, und die Zehen krallten sich an jede Unebenheit am Fels. Vielleicht hatte
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