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Weites Land der Träume

Titel: Weites Land der Träume
Autoren: Anne McCoullagh Rennie
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Du wirst nur manchmal darum kämpfen müssen.«
    Selbst um halb vier Uhr nachmittags stiegen die Temperaturen noch, und der heiße trockene Westwind, der sich bei Morgengrauen erhoben hatte, machte keine Anstalten sich wieder zu legen. Obwohl der Heimweg wegen des kräftig wehenden Gegenwinds ziemlich anstrengend war, wollte Alice sich den glücklichen Tag nicht vom Wetter verderben lassen. Ein vertrauter Geruch nach warmem Holz stieg ihr in die Nase, als sie, vergnügt und in Tagträume versunken, weitertrottete. Nur hin und wieder warf sie einen Blick auf Ben, um sich zu vergewissern, dass er ihr noch folgte. Auf beiden Seiten des Wegs bog sich das dürre Gras in der starken Brise. Schafe und Rinder drängten sich auf wenigen schattigen Fleckchen. Seit über vier Monaten hatte es keinen nennenswerten Regen gegeben, und alles war knochentrocken. In der Ferne zeichnete sich dichter Busch in der dunstigen Hitze ab; dahinter lag ihre Farm.
    In den nächsten zwanzig Minuten setzten die beiden Kinder schweigend ihren Weg fort. Staub wehte ihnen in die zusammengekniffenen Augen, und es wurde immer heißer. »Wer zuerst am Busch ist!«, rief Ben plötzlich, rannte an Alice vorbei und zupfte sie beim Laufen an einem ihrer dicken rabenschwarzen Zöpfe.
    Alice, die sich zu spät weggeduckt hatte, schob das rosafarbene Band, das sich gelöst hatte und ihr über den Mund gerutscht war, aus dem Gesicht. Heute würde ihr geliebter Dad wieder nach Hause kommen. Obwohl er ihr so viele Haarbänder kaufen würde, wie sie nur wollte, würde er mit dem Buch sicher nicht einverstanden sein und auch nicht verstehen, wie viel ihr der Preis bedeutete. In seinen Augen waren Frauen nämlich dazu da, zu kochen, die Männer zu bedienen und Kinder großzuziehen. Selbst in seinen kühnsten Träumen wäre es ihrem Vater nie eingefallen, dass eine Frau auch ein Recht auf Selbstständigkeit hatte.
    Alice schickte Ben ein nachsichtiges Lächeln hinterher. Heute würde sie ihn gewinnen lassen, denn nichts auf der Welt konnte ihre Hochstimmung trüben. Doch in letzter Minute beschloss sie, sich trotzdem an dem Wettlauf zu beteiligen, und die beiden Kinder erreichten keuchend und mit geröteten Gesichtern den Busch.
    Trotz des dichten Blätterdachs der grauen Gummibäume war es hier nur unwesentlich kühler. Aber wenigstens hatte der Wind nachgelassen, und die Luft war nicht mehr so bewegt. Auch hier war das Unterholz braun und ausgedörrt, und der Boden war von der Hitze ganz brüchig. Der sonst so angenehme Eukalyptusduft war jetzt drückend schwer. Als die beiden Geschwister das letzte Stück Weg zurücklegten, schien die Welt um sie herum förmlich zu knistern. Alice, der unheimlich zumute wurde, ging schneller und trieb Ben zur Eile an.
    »Ich habe Durst«, jammerte Ben.
    »Ich auch«, erwiderte Alice, die die körperliche Anstrengung schon bereute. Sie rückte den Tornister auf ihrem schmalen Rücken zurecht, blieb plötzlich stehen und lauschte. Im Busch war es still geworden.
    »Die Vögel singen nicht mehr, Ben.« Ihre Stimme klang in dem Schweigen unnatürlich laut. Kein Blatt regte sich. Zwischen den Bäumen leuchtete ein unheimliches gelbes Licht am Himmel. Die trockene Luft war wie elektrisiert.
    »Schnell, wir müssen nach Hause«, drängte Alice und ging rasch weiter. Als sie sich noch einmal umschaute, weiteten sich ihre Augen vor Entsetzen. Ben, der ihre Angst spürte, folgte ihrem Blick. Während sie noch hinsahen, wurde die Rauchsäule immer dicker.
    Alice brauchte nichts mehr zu sagen. Kinder, die im Busch aufwuchsen, lernten von Geburt an, wie sie sich in einem solchen Notfall verhalten mussten, und Buschfeuer waren nun einmal ein Teil ihres Lebens. Erst letzte Woche hatten Alice, Ben und ihr zweijähriger Bruder Timmy die Feuerübung absolviert, die sie auf Beharren ihrer Mutter alle drei Monate wiederholen mussten.
    »Ich will sicher sein, dass euch nichts passiert, denn schließlich könnte auch ein Buschfeuer ausbrechen, wenn ich einmal nicht zu Hause bin«, hatte Mutter verkündet. Alice hatte es beim bloßen Gedanken das Herz zusammengeschnürt.
    Also hatten sie so getan, als ob wirklich ein Feuer ausgebrochen wäre. Sie waren durchs Haus geeilt, hatten alle Türen und Fenster geschlossen und die Ritzen mit feuchten Handtüchern verstopft. Dann hatten sie Eimer mit Wasser gefüllt und sie an verschiedenen Stellen verteilt. Wie hatten sie gelacht, als der kleine Timmy, einem weißen Gespenst gleich und in ein riesiges nasses
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