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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß
Autoren: Stefan Wolf
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sagte Karl.
„Zufällig weiß ich, daß er heute Nachtdienst hat.“
    „Tatsächlich? Macht nichts. Dann kann
er sich wenigstens mal ausruhen im Büro. Und noch was, Willi: Du sprühst die
beiden an, klar? Nicht mich aus Versehen.“
    Sie löschten das Licht. Jeder bezog
seinen Posten.
    Tim lehnte hinter der Wohnungstür an
der Wand. Ihm wurde warm, und er legte seine Jacke ab.
    „Ich glaube, sie kommen“, flüsterte
Klößchen.
    „Das bin ich“, erwiderte der
TKKG-Häuptling, „habe nur meine Jacke... Pst!“
    Klößchen hatte recht. Jetzt hörte auch
Tim das Geräusch. Jemand war vor der Tür. Stimmen, sehr leise. Männerstimmen,
die murmelten. Das Schloß knackte. Tatsächlich, die Kerle schlossen auf.
    Tim spannte sich. Er war nicht
aufgeregter als vor einem Wettkampf — und dort wird er beneidet, weil er so
cool bleibt.
    Jetzt wunderte er sich. Wieso kamen
Blaßgesicht und Türke so früh? Es war noch lange nicht Mitternacht. Immerhin
schienen sie ausgezeichnete Nachschlüssel zu haben. Es klappte auf Anhieb, die
Tür gab nach, sie traten ein.
    Attacke! dachte Tim. Mehreres geschah
gleichzeitig.
    Im Flur wurde Licht gemacht. Mit
Gebrüll schoß Klößchen aus der Küche hervor, den Spray in beiden Fäusten — und
schon zischte das Tränengas aus der Düse. Tim brüllte noch lauter und sprang
vor zum Flankenangriff, stutzte sofort und schrie: „Nein, Willi! Aufhören!“
Aber es war schon zu spät.

    Inspektor Glaubniks und sein Kollege
Dietmann brüllten nun ihrerseits — vor Schreck und vor Schmerz, denn die
Tränengaswolke, die ihre Augen traf, brannte fürchterlich.
    Klößchen erstarrte. Tim trat einen
Schritt zurück, weil sich das Gas zu ihm ausbreitete. Völlig entgeistert, ließ
Karl seine zum Schlag erhobene Keule sinken.
    Himmel! dachte Tim. Da haben wir was
angerichtet!
    Stimmen auf der Treppe. Drei
Kripo-Beamte, die sich dort — ebenfalls strategisch — verteilt hatten, stürmten
herein, als erster Kommissar Glockner.
    Glaubniks und Dietmann torkelten herum
und preßten Taschentücher an ihre Augen.
     
    *
     
    Begossene Pudel hätten einen
heldenhaften Anblick geboten — im Vergleich zu den Jungs. Gesenkte Köpfe,
niedergeschlagene Blicke — Tim, Karl und Klößchen mußten sich allerhand anhören
von Kommissar Glockner.
    Währenddessen fuhr ein Kollege die
außer-Gefecht-gesetzten Inspektoren zum nächsten Krankenhaus, wo ihnen die
Augen gespült und lindernd behandelt wurden.
    Gabys Vater fand kein Ende mit seiner
Standpauke. Echt verärgert war er. Vor allem über die Eigenmächtigkeit der
Jungs und die Gefahr, in die sie sich gebracht hatten.
    Immerhin und fairerweise erklärte er
zum Schluß, wieso die Kripo hier antanzte.
    Irene Hansen hatte sich freiwillig
gestellt — im Präsidium, hatte ein volles Geständnis abgelegt und auch das
Heroin-Paket mitgebracht. Außerdem hatte sie mitgeteilt, daß hier um
Mitternacht unliebsamer Besuch erwartet wurde: Blaßgesicht und der Türke.
    „Unser Wagen steht Ecke Armie-Gasse und
Gruft-Straße“, sagte Glockner. „Ein weißer Kastenwagen. Dort wartet ihr.“
    Tim blickte flehentlich. Können wir
nicht doch hierbleiben? hieß das.
    Aber Glockner blieb hart.
     
    *
     
    Lothar Voss-Bitterkind — ein junger
Kriminalbeamter — wachte im Wagen. Die Jungs kannten ihn. Grinsend hörte er
sich an, was passiert war. Tim hatte den Eindruck, er war nicht gut zu sprechen
auf Glaubniks und Dietmann.
    Über Sprechfunk war Voss-Bitterkind mit
Kommissar Glockner verbunden. Aber sie machten nur ganz wenig Gebrauch von
dieser Kommunikations- (Verständigungs) Möglichkeit.
    Eine Kirchturmuhr schlug Viertel vor
zwölf.
    Ein grauer Mercedes rollte vorbei — mit
drei Insassen.
    „Die sind’s nicht“, sagte Karl. „Wir
erwarten zwei.“
    Der Mercedes hielt, parkte am
Bordstein, und die Männer stiegen aus.
    Die Jungs atmeten scharf durch die
Vorderzähne.
    „Blaßgesicht und Türke“, Tim flüsterte
unwillkürlich, obwohl niemand sie hören konnte. „Den dritten kenne ich nicht.“
    Voss-Bitterkind sprach in sein Mikro. „Herr
Glockner, sie kommen. Aber es sind drei.“
    „Verstanden“, kam die drahtlose Antwort
durch die regenschwere Nachtluft.
    Sie beobachteten.
    Blaßgesicht und Türke strebten zu Nr.
11; der dritte blieb zurück, begann auf und ab zu laufen in der Armie-Gasse,
sollte offensichtlich schmiere-stehend den Rückzug sichern.
    „Ein abgebrochener Riese“, sagte Tim.
„Der rennt unter der Schranke durch, ohne sich zu bücken.
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