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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Autoren: Holly Black
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für schlauer hält. Erst dann erklärt man– oder besser noch der Komplize–, worum es geht.
    Das Opfer sollte beim ersten Mal direkt gewinnen. In diesem Geschäft ist das der » Überzeuger « . Wenn das Opfer weiß, dass es schon Geld in der Tasche hat und jederzeit gehen kann, kommt es aus der Deckung.
    Im zweiten Schritt wird der Einsatz erhöht. Jetzt geht es um mehr. Hier muss sich meine Mutter nie Sorgen machen, denn als Gefühlswerkerin flößt sie jedem das nötige Vertrauen ein. Aber auch sie muss alle Stationen durchlaufen, damit das Opfer später, wenn es sich zurückerinnert, nicht merkt, dass es bearbeitet wurde.
    Danach muss man nur noch raus aus der Geschichte und nichts wie weg.
    Als Trickbetrüger hält man sich für schlauer als den Rest der Welt; man glaubt, an alles gedacht zu haben. Mit allem davonkommen und jeden reinlegen zu können.
    Ich wünschte, ich würde nicht darüber nachdenken, alle möglichen Leute reinzulegen, aber der Unterschied zwischen mir und meiner Mutter besteht darin, dass ich mich nicht selbst reinlege.

ZWEITES KAPITEL
    ICH SCHAFFE ES GERADE NOCH rechtzeitig, meine Uniform überzuziehen und zu Französisch zu hetzen; Frühstück gibt es schon lange nicht mehr. Das Schulfernsehprogramm von Wallingford erwacht knisternd zum Leben, als ich meine Bücher aufs Pult lege. Auf dem Bildschirm verkündet Sadie Flores, dass der Lateinklub in der Freistunde einen Kuchenbasar veranstaltet, um für den Bau einer kleinen Outdoor-Grotte zu sammeln. Außerdem trifft sich die Rugby-Mannschaft in der Sporthalle. Ich hangele mich von Stunde zu Stunde, ehe ich in Geschichte doch noch einschlafe. Als ich ruckartig aufwache, mit einem vollgesabberten Ärmel, fragt Mr Lewis gerade: » In welchem Jahr trat das Verbot in Kraft, Mr Sharpe? «
    » Neunzehnhundertneunundzwanzig « , murmele ich. » Neun Jahre nach Beginn der Prohibition. Direkt vor dem Zusammenbruch des Aktienmarkts. «
    » Sehr gut « , sagt er unzufrieden. » Können Sie mir auch sagen, warum das Verbot im Gegensatz zur Prohibition bis heute nicht wieder aufgehoben wurde? «
    Ich wische mir den Mund ab. Meine Kopfschmerzen sind immer noch da. » Äh, vielleicht weil der Schwarzmarkt die Leute mit genügend Fluchmagie versorgt? «
    Einige Schüler lachen, aber Mr Lewis verzieht keine Miene. Er zeigt auf die Tafel, wo mit Kreide mehrere Gründe aufgelistet stehen. Irgendwas über Initiativen ausder Wirtschaft und ein verlängertes Handelsabkommen mit der Europäischen Union. » Anscheinend sind Sie auch imSchlaf zu vielem fähig, Mr Sharpe. Das Verfolgen meines Unterrichts gehört jedoch offensichtlich nicht dazu. «
    Er erntet mehr Lacher. Ich halte mich die restliche Stunde über wach, obwohl ich mich dafür ein paar Mal mit einem Stift piksen muss.
    Dann gehe ich in mein Zimmer und verschlafe den Förderunterricht, das Leichathletiktraining und den Debattierklub. Als ich zur Abendessenszeit aufwache, spüre ich, wie der Rhythmus meines normalen Lebens verebbt. Und ich habe keine Ahnung, wie ich das ändern könnte.
    Die Wallingford-Schule ist in vielerlei Hinsicht so, wie ich sie mir vorstellte nach der Lektüre der Broschüre, die Barron mitgebracht hatte. Der Rasen ist nicht ganz so grün und die Gebäude sind kleiner, aber die Bibliothek ist wirklich gut sortiert und zum Abendessen trägt man Sakko. Die Schüler kommen aus zwei Gründen hierher. Entweder ist die Privatschule ihr Sprungbrett auf eine angesagte Uni oder sie wurden von einer staatlichen Schule verwiesen und umgehen dank des Geldes ihrer Eltern die Schule für jugendliche Straftäter, ihre einzige Alternative.
    Wallingford ist nicht die erste Liga, aber immerhin wurde ich aufgenommen, trotz meiner Verbindungen zu den Zacharovs. Es war Barrons Idee, dass die Schule mir eine gewisse Struktur bieten könnte. Kein unordentliches Haus mehr, kein Chaos. Ich habe mich gut gehalten. Hier ist meine Unfähigkeit, Fluchmagie zu praktizieren, nämlich ein Vorteil– zum ersten Mal ist es etwas Gutes. Dennoch stelle ich eine verstörende Tendenz fest, mir Probleme an den Hals zu schaffen, die es in diesem neuen Leben gar nicht geben dürfte. Wie zum Beispiel mein Wettbüro, weil ich eben Geld brauche. Anscheinend kann ich es einfach nicht lassen, was zu drehen.
    Der holzvertäfelte Speisesaal hat eine hohe Gewölbedecke, die der Geräuschkulisse einen besonderen Hall verleiht. An den Wänden hängen Bilder bedeutender Schulleiter und ein Porträt von Wallingford selbst,
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