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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Autoren: Bettina Landgrafe
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Umstände machen bestimmte Dinge einfach unmöglich. Also kann man sich auch mal ausruhen. Es gibt keinen Strom? O.k., dann kann ich mich ja auch beruhigt ins Bett legen. Für jemanden wie mich, der ich gewöhnt bin, rund um die Uhr zu funktionieren, ist das mitunter eine echte Wohltat.
    Vielleicht ist auch dies der Grund, warum ich in Afrika viel tiefere Beziehungen zu Menschen habe. Fällt der Strom aus, dann sitze ich mit Mimie im Dunkeln, und wir unterhalten uns. Das bringt sehr viel Nähe. Wann macht man das in Deutschland schon?
    Im Busch sitzen wir dann einfach im Dunkeln, die Taschenlampen lassen wir lieber aus, weil sonst die Moskitos kommen, wir sitzen beisammen, manchmal setzt sich noch ein Chief zu uns, und wir unterhalten uns. Wir reden sehr viel miteinander, auch über die Projekte, über das, was uns bewegt. Ich bitte Emmanuel dann häufig, eine Geschichte zu erzählen. Er ist ein wahnsinnig guter Geschichtenerzähler und parodiert auch sehr gekonnt ghanaische Politiker und bekannte Persönlichkeiten. Häufig geht es aber auch um ernste Themen. Meine Mitarbeiter oder auch die Dorfbewohner stellen mir häufig Fragen, die mich anfangs schon erstaunt haben. Aber das ist es ja, was ich meine: Wir unterschätzen diese Menschen und ihren Horizont gewaltig. Der Chief von Apewu fragte mich während der Wahl in den USA , bei der Obama ja der afrikanische Held war, wie es wohl mit ihnen weiterginge, wenn jemand wie Bush wiedergewählt werden würde. Warum die USA immer so viele Kriege führten, und ob es dabei nicht nur ums Geld ginge. Und das fragte mich ein Mann, der selten in seinem Leben überhaupt aus seinem Dorf im Busch herausgekommen war, der nicht lesen und nicht schreiben kann. Der so viele Probleme vor der eigenen Tür hat. Dieser Mann würde doch bestimmt von einem promovierten Entwicklungshelfer oder Ingenieur bei einem Projekt wohl kaum als gleichwertiger Partner ernst genommen werden – und das völlig zu Unrecht.
     
    Wir machen uns an solchen Abenden häufig Gedanken darüber, was man konkret tun könnte, und damit denken wir nicht nur an das, was Madamfo Ghana lokal begrenzt für ein Land tun kann, sondern jeder Einzelne von uns in Europa oder wie wir es nennen: in der westlichen Welt.
    Häufig ist dann die Situation der Bauern ein Thema, oder »Farmer«, wie sie in Ghana genannt werden, und ich finde, dieses Beispiel veranschaulicht recht gut, welche Verantwortung wir auch in Deutschland tragen. Wie kann es sein, fragen wir uns dann, dass eine Tomate, die in Holland oder Deutschland, mit den dortigen Lohn-, Hygiene- und was weiß ich noch für Standards gezogen wurde, nach Ghana verschifft wird, also einen teuren Transportweg hinter sich bringt, um dann in Ghana auf dem Markt immer noch billiger verkauft zu werden als die Tomate, die eine ghanaische Farmerin von ihrem Strauch pflückt und auf dem lokalen Markt anbietet. Also da stimmt doch etwas nicht! Das gleiche Beispiel ließe sich auch anhand von Milch oder Zucker durchspielen. Wir sind so sehr mit uns selbst beschäftigt, dass wir die Not, in die wir Menschen Tausende Kilometer entfernt stürzen, nicht bedenken oder nicht bedenken wollen. Das ist ja alles so weit weg. Man kann es ja nicht sehen. Eine Frage, die ich mir dazu vor langer Zeit einmal selber gestellt habe, ist diese: Wer ist eigentlich mein Nachbar? Ist das der Mensch, der im selben Haus wohnt, in meiner Straße oder in meiner Stadt? Oder kann dieser Mensch nicht vielleicht auch weit weg wohnen, und trotz der geographischen Distanz fühle ich mich ihm und seinem Schicksal verbunden und verantwortlich?
    Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Menge tun können und dass jeder Einzelne auch eine Mitverantwortung gegenüber seinen Mitmenschen trägt, auch denen gegenüber, die auf einem anderen Kontinent leben. Und besonders in unserer heutigen Zeit, in der unser Handeln fühlbare Konsequenzen für diese Menschen hat.
    Natürlich sind unsere Arbeitsplätze in der westlichen Welt wichtig für die Menschen, die mit ihren Familien davon leben. Aber können wir langfristig auf Kosten anderer leben? Haben wir ein Recht dazu, durch unsere Subventionen das Leben von Menschen weit weg so zu erschweren, ihre Existenz zu bedrohen oder gar zu vernichten? Würden wir das auch tun, wenn es um unser direktes Nachbarland ginge? Wenn es um uns ginge? Wenn wir das Resultat unserer Handlungen direkt vor Augen hätten? Ich denke nicht. Oft, wenn ich mit Bekannten und Freunden in Deutschland über
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