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Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Weiße Nana / Mein Leben für Afrika

Titel: Weiße Nana / Mein Leben für Afrika
Autoren: Bettina Landgrafe
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und die ich, glaube ich, von meinen Großeltern mitbekommen habe: eine unbeirrbare Entschlossenheit, eine Zielstrebigkeit, die kein Hindernis aufhalten kann. Mit diesem Biss begann ich, für mein Abitur zu lernen.
    Mein Großvater meldete sich bei mir und lud mich ein, doch nach Hause zu kommen. Kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag klingelte ich bei meinen Großeltern an der Tür, und sie empfingen mich voller Wärme und Herzlichkeit. Es war so schön, die beiden in den Arm zu nehmen! Erst da spürte ich so richtig, wie sehr sie mir gefehlt hatten. Wir haben nie über die Ursachen unserer sechsjährigen Sendepause gesprochen, und im Grunde war das auch nicht nötig. Meine Großeltern hatten ein Problem mit meiner Mutter und nicht mit mir. Meine Protestphase mit lila Ponyhaaren und hautengen Leggins hatte sich auch gelegt, nun konnte ich wieder schätzen, was mir meine Großeltern an Werten vermitteln wollten. Und vor allem konnte ich wieder dazu stehen, dass wir uns heiß und innig liebten und das bis heute tun.
    Nach dem Abitur überlegte ich, was ich aus meinem Leben machen wollte. Zunächst wollte ich unbedingt zur Polizei, weil ich schon immer einen extremen Gerechtigkeitssinn in mir trug, das stand schon in einem meiner Grundschulzeugnisse. Mein Großvater hätte es gerne gesehen, wenn ich in seine Fußstapfen getreten wäre und Medizin studiert hätte, doch gerade an ihm konnte ich sehen, wie wenig Privatleben man in diesem Beruf hat. Immer wenn wir mal etwas gemeinsam unternehmen wollten, wurde er prompt ins Krankenhaus gerufen. Schließlich entschloss ich mich, Kinderkrankenschwester zu werden, und das war eine Entscheidung, die mein weiteres Leben nachhaltig prägen sollte. Nach der Ausbildung konnte ich zwischen der Kinderintensivstation und der Notaufnahme wählen. Den Dienst auf einer Station hätte ich zu langweilig gefunden, und darum meldete ich mich zur Notaufnahme, dort hatte ich schon als Schülerin gearbeitet. Man wusste nie, was als Nächstes kam, man musste hellwach sein und Entscheidungen treffen, und das war genau nach meinem Geschmack.
     
    So wie hier. Bei Madamfo Ghana in Accra. Jeden Tag gibt es Überraschungen, und nicht immer nur positive. Allein die Planung einer Reise quer durch Ghana, von einem Projektort zum nächsten, grenzt mitunter an Spekulation. Denn wir mögen vielleicht bereit sein, am nächsten Tag zu starten, aber das heißt noch lange nicht, dass es auch tatsächlich losgehen kann. Das hängt von vielerlei Faktoren ab, vor allem vom Wetter.
    Regnet es nämlich einige Tage ununterbrochen, dann werden die Straßen im Hinterland, von denen die wenigsten asphaltiert sind, häufig unpassierbar. Schließlich wollen wir mit unseren Projekten die Ärmsten der Armen erreichen, und die leben nun einmal meist abgeschnitten von guter Infrastruktur. Ich kann mit Recht behaupten: Da, wo wir hingehen, da geht sonst keiner freiwillig hin, und das trifft sicherlich für die meisten unserer Einsatzgebiete zu. Es gibt wenige, die Leprakranke besuchen und sich dafür interessieren, in welchen Verhältnissen sie leben. Wenige, die sich bislang um die Hygiene und Gesundheitsversorgung in weit entfernten Buschdörfern kümmern oder sich dafür einsetzen, dass die Kinder dort zur Schule gehen können.
    Viele ziehen es vor, sich abzuwenden und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Es ist nicht so, dass die entscheidenden Stellen in Ghana von diesen Missständen nie etwas gehört hätten. Antrag um Antrag verschwindet im Bauch einer schwerfälligen Bürokratie. Ich kann es selbst kaum glauben, wie vielen achselzuckenden Menschen ich schon gegenübersaß, die es in ihren wohlklimatisierten Büros in der Hauptstadt sehr bedauerten, dass man da leider gar nichts machen könne.
    Aber man kann etwas tun, ja, man muss es einfach, auch wenn es nur eine Kleinigkeit oder ein Anfang ist. Oft werde ich gefragt, ob ich nicht das Gefühl habe, dass meine Hilfe angesichts der großen Not nur ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein sei. Ob man denn als Einzelner überhaupt etwas bewirken könne. Meine Antwort: Ist es eine Alternative, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun? Ja, soll man denn weggehen, ohne etwas unternommen zu haben, macht es das etwa besser? Auch wenn die Hilfe mitunter nur wenige erreicht, dann ist doch immerhin diesen Menschen geholfen. Jeder wäre in einer solchen Lage froh, wenn man ihm helfen würde. Und tatsächlich haben mir meine Großeltern ja auch geholfen, als
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