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Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue

Titel: Weiß wie Milch, rot wie Blut - D'Avenia, A: Weiß wie Milch, rot wie Blut - Bianca come il latte, rossa come il sangue
Autoren: Alessandro D'Avenia
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vermaledeite Irgendwann abzuwarten? Heute. Ich will heute was verstehen, nicht irgendwann . Heute, jetzt. Aber nein: Irgendwann wird dieser Tag kommen und einen umhauen, und dann wird es zu spät sein, denn obwohl man sich beizeiten bemüht hat, war niemand aufzutreiben, der die Güte besessen hätte, einem zu antworten. Das Einzige, was man zu hören bekommen hat, war die Prophezeiung dieses Irgendwanns, das klingt wie eine Weissagung von Tod und Zerstörung …
    Von den Paukern ganz zu schweigen. Wenn man mit denen ernsthaft reden will, antworten sie nicht jetzt , was soviel heißt wie »nie«. Die unschönen Dinge sagen sie einem sofort: Noten, Prüfungen, Tadel, Hausaufgaben … Die schönen hingegen nicht, sonst, meinen sie, ruht man sich auf den Lorbeeren aus , die mir so bequem auch nicht aussehen. Ansonsten hat man sich mit denen nichts zu sagen.
    Papa und Mamma? Gott bewahre. Schon der Gedanke ist mir peinlich. Die scheinen nie in meinem Alter gewesen zu sein. Außerdem kommt Papa immer total fertig von der Arbeit nach Hause und will Fußball sehen. Mamma? Ist mir peinlich. Ich bin schließlich kein Baby mehr, da kann ich schlecht mit meiner Mutter reden! Lehrer fallen weg, Eltern gehen gar nicht, Niko spricht seit dem Spiel gegen Fantacalcio nicht mehr mit mir, wer bleibt da noch? Terminator. Wenigstens er hört mir zu und hält die Klappe, vor allem, wenn ich ihm hinterher Hundekuchen mit Katzengeschmack gebe.
    »Weißt du, Terminator, seit der Träumer von Träumen geredet hat, muss ich ständig darüber nachdenken, es ist wie ein Juckreiz, nur tiefer drin. Was hast du dir gewünscht, Terminator, was wolltest du sein, wenn du groß bist? Du kannst nur Hund sein: fressen wie ein Hund, schlafen wie ein Hund, pinkeln wie ein Hund, sterben wie ein Hund. Ich hingegen nicht. Mir gefällt’s, große Ziele zu haben. Einen großen Traum. Ich weiß noch nicht, welchen, aber mir gefällt’s, von einem Traum zu träumen. Stumm im Bett zu liegen und meinen Traum zu träumen. Sonst nichts. Meine Träume Revue passieren zu lassen und zu überlegen, welche ich gut finde. Wer weiß, ob ich Spuren hinterlasse? Nur Träume hinterlassen Spuren.«
    Terminator zerrt an der Leine, er kann sich nicht konzentrieren, wer weiß, was er will. Wir zuckeln weiter.
    »Unterbrich mich nicht …! Mir gefällt’s, Träume zu haben. Mir gefällt’s. Aber wie soll ich meinen Traum finden, Terminator? Du hast ihn schon fertig vorgesetzt bekommen. Aber ich bin kein Hund. Dem Träumer haben ein Märchen erzählender Großvater und ein Film gereicht. Vielleicht sollte ich öfter ins Kino gehen, wo ich doch keinen Großvater habe und bei Oma jedes Mal schreien muss, damit sie mich versteht, und außerdem hat sie diesen unerträglichen Alte-Leute-Geruch, den ich nicht ausstehen kann. Oder vielleicht sollte ich mehr Bücher lesen. Der Träumer meint, unsere Träume stecken oft in den Dingen, denen wir uns wirklich öffnen, die wir lieben: ein Ort, eine Buchseite, ein Film, ein Bild … Die großen Schöpfer der Schönheit wecken unsere Träume.
    Das meint der Träumer. Ich weiß nicht genau, was das heißen soll. Aber ich weiß, dass es mir gefällt. Ich sollte es ausprobieren. Ich muss mir mal einen Tipp geben lassen, ohne die Sache allzu hoch zu hängen, immerhin stehe ich mit beiden Beinen auf der Erde. Ein Leben ohne Träume ist ein Garten ohne Blumen, aber ein Leben voller unerreichbarer Träume ist ein Garten voller Kunstblumen … Was hältst du davon, Terminator?«
    Terminator stellt sich an einen Pfahl und pinkelt. Die Länge seiner Pinkelpause entspricht der Länge meiner Ausführungen.
    »Danke, Terminator, wenigstens du verstehst mich …«

B eatrice ist offenbar krank. Die Grippe geht um, aber ich kriege sie nie … Seit zwei Tagen habe ich sie nicht gesehen. Ohne den roten Schimmer ihres Haares sind die Tage leerer. Sie werden weiß wie Tage ohne Sonne.
    Ich gehe mit Silvia nach Hause. Ich nehme sie auf meiner 50er mit, und sie bittet mich ständig, langsamer zu fahren. Frauen. Wir unterhalten uns lange, und ich frage sie, ob sie einen Traum hat, wie der Träumer. Ich erzähle ihr, dass Niko einen ganz konkreten Traum hat. Er meint, er wird in die Fußstapfen seines Vaters treten. Sein Vater ist Zahnarzt. Niko hat einen Haufen Kohle. Er wird Zahnarzt und übernimmt die Praxis seines Vaters. Er sagt, das sei sein Traum. Aber ich finde, das gilt nicht als Traum. Da ist ja schon alles klar. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss
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