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Weihnachtslied (German Edition)

Weihnachtslied (German Edition)

Titel: Weihnachtslied (German Edition)
Autoren: Charles Dickens
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weil sie vor allen andern eine Zeit ist, da der Mangel am bittersten gefühlt wird und nur der Reiche sich freut. Welche Summe darf ich für Sie aufschreiben?«
    »Nichts«, antwortete Scrooge.
    »Sie wünschen ungenannt zu bleiben?«
    »Ich wünsche, daß man mich in Ruhe läßt«, sagte Scrooge. »Da Sie mich fragen, meine Herren, was ich wünsche, so ist eben dies meine Antwort. Ich freue mich selbst nicht zu Weihnachten und habe nicht die Mittel, mit meinem Geld Faulenzern Freude zu machen. Ich trage meinen Teil zu den Anstalten bei, die ich genannt habe; sie kosten genug, und wem es schlecht geht, der mag dorthin gehen!«
    »Viele können nicht hingehen, und viele würden eher sterben.«
    »Wenn sie eher sterben würden«, sagte Scrooge, »so wäre es gut, wenn sie es täten und die überflüssige Bevölkerung dadurch verminderten. Übrigens, Sie entschuldigen, ich weiß nichts davon.«
    »Aber Sie könnten es wissen«, bemerkte der Herr.
    »Es kümmert mich nichts«, antwortete Scrooge. »Es genügt, wenn ein Mann sein eignes Geschäft versteht und sich nicht in das anderer Leute mischt. Das meinige nimmt meine ganze Zeit in Anspruch. Guten Abend, meine Herren!«
    Da sie deutlich einsahen, wie vergeblich weitere Versuche sein würden, zogen sich die Herren zurück. Scrooge setzte sich wieder an die Arbeit mit einer erhöhten Meinung von sich selbst und in einer bessern Laune als gewöhnlich.
    Nebel und Dunkelheit hatten inzwischen so zugenommen, daß die Leute mit brennenden Fackeln herumliefen, um den Wagen vorzuleuchten. Der alte Kirchturm, dessen brummende alte Glocke sonst unverwandt aus einem alten gotischen Fenster in der Mauer listig auf Scrooge herabsah, wurde unsichtbar in den Wolken und schlug die Stunden und Viertel mit einem zitternden Nachklang, als wenn in dem erfrorenen Kopfe droben die Zähne klapperten. Die Kälte wurde immer schneidender. In der Hauptstraße an der Ecke der Sackgasse wurden die Gasleitungen ausgebessert, und die Arbeiter hatten ein großes Feuer in einer Kohlenpfanne angezündet. Darum herum drängten sich einige zerlumpte Männer und Knaben, die über den Flammen behaglich blinzelnd sich die Hände wärmten. Aus der eisernen Pumpe, sich selbst überlassen, floß ungehindert Wasser aus, aber bald war es zu Eis erstarrt. Der Lichtschimmer der Läden, in deren Fenstern Stechpalmenzweige und Beeren in der Lampenwärme knisterten, rötete die bleichen Gesichter der Vorübergehenden. Die Gewölbe der Geflügel- und Materialwarenhändler sahen aus wie ein glänzendes, fröhliches Märchenland, und es schien fast unmöglich, damit den Gedanken an eine so langweilige Sache wie Kauf und Verkauf zu verbinden. Der Lord Mayor gab in den innern Gemächern des Mansion House seinen fünfzig Köchen und Kellermeistern Befehl, Weihnachten zu feiern, wie es eines Lord Mayors würdig ist, und selbst der kleine Schneider, den er am Montag vorher wegen Trunkenheit und blutrünstiger Äußerungen in der Öffentlichkeit mit fünf Shilling gestraft hatte, rührte den Pudding für morgen in seinem Dachkämmerchen, während seine magere Frau mit dem Säugling auf dem Arm wegging, um das Roastbeef zu kaufen.
    Immer nebliger und kälter wurde es, durchdringend, schneidend kalt. Wenn der gute, heilige Dunstan die Nase des Gottseibeiuns nur mit einem Hauch von diesem Wetter gefaßt hätte, anstatt seine gewöhnlichen Waffen zu gebrauchen, dann hätte er wohl recht gebrüllt. Der Inhaber einer kleinen, jungen Nase, an der die hungrige Kälte biß und nagte, wie Hunde an einem Knochen, legte sich an Scrooges Schlüsselloch, um ihn mit einem Weihnachtsliede zu erfreuen. Aber beim ersten Ton des Liedes ergriff Scrooge das Lineal mit einer solchen Heftigkeit, daß der Sänger voll Schrecken entfloh und das Schlüsselloch dem Nebel und dem noch verwandteren Frost überließ.
    Endlich kam die Feierabendstunde. Unwillig stieg Scrooge von seinem Sessel und gab dadurch dem harrenden Kommis in dem Verlies stillschweigend die Einwilligung zum Aufbruch, worauf dieser sogleich das Licht auslöschte und den Hut aufsetzte.
    »Sie wollen morgen den ganzen Tag frei haben, vermute ich«, sagte Scrooge.
    »Wenn es Ihnen recht ist, Sir.«
    »Es ist mir durchaus nicht recht«, sagte Scrooge, »und es gehört sich auch nicht. Wenn ich Ihnen eine halbe Krone dafür abzöge, würden Sie denken, es geschähe Ihnen Unrecht, nicht wahr?«
    Der Kommis antwortete mit einem gezwungenen Lächeln.
    »Und doch«, sagte Scrooge, »denken
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