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Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
Autoren: Ursula Richter , Stubel,Wolf-Dieter
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speiste, da servierte man uns zum Nachtisch ein Pfefferminzsorbet. Mir wurde klar, wieviel Zeit seit dem Abend in der Bahnhofsgaststätte vergangen war. Und einmal, so erinnere ich mich, war mir von einem hochprozentigen Pfefferminzlikör, den ich im Übermaß genossen hatte, ziemlich übel geworden. So zog der Likör seine Kreise.
    Angekommen um Mitternacht, erwartete uns mein Großvater am Zug. Nach der langen Zeit hätte er mich fast nicht wiedererkannt. Mir hingegen war er nicht im geringsten fremd, und ich konnte mich noch recht gut auf den Bahnhof, das Haus und die Räumlichkeiten besinnen. Wunderschöne Wochen sollten nun beginnen, und als ich die Stiegen hinauflief, sah ich den prächtig geschmückten Weihnachtsbaum, der mich freundlich begrüßte, und es kam mir vor, als sei ich endlich von einer langen Reise heimgekehrt.

    Gertraute von Lilienhoff

Mutti kann nicht schimpfen

    In meinem langen Leben habe ich natürlich auch sehr viele Weihnachtsabende erlebt. Schöne, traurige, kirchlichfromme, hungrige. Aber doch auch lustige. Und von solch einem will ich erzählen. Dieser Weihnachtsabend liegt schon zurück in meiner Kindheit. Ich war wohl ungefähr zwölf Jahre alt.
    Meine Mutter hatte sich eine scheußliche Erkältung zugezogen und war völlig heiser. Die Tage vor dem Fest mußten das Hausmädchen und ich das Parkett in dem riesigen Eßzimmer mit Stahlspänen schrubben und dann mit gelbem Bohnerwachs einreiben. Nun konnte der Heilige Abend kommen! Nachmittags brannten noch die letzten Kerzenstummel am Adventskranz, aber — o Schreck! — die Tischdecke fing Feuer! (Zum Glück wurde das schnell bemerkt, und die Feuerversicherung trat später auch ein.) Das war die erste Panne, die uns Kindern Spaß machte.
    Dann kam Panne Nr. 2. Vater zündete immer die Kerzen an der großen Tanne an. Doch unbemerkt lief unser Schäferhund mit in das Weihnachtszimmer, wedelte mit seinem Schwanz das Lametta durcheinander und riß dabei fast den Baum um. «Pfui, pfui», rief Vater — wir wußten vor der Tür gar nicht, was das bedeutete. Und nun kam die 3. Panne: Ich hatte meinem jüngeren Bruder eine Wasserpistole geschenkt, die er natürlich sofort ausprobierte. Das Wasser ergoß sich aber sogleich auf den so mühevoll gereinigten Parkettboden, und Mutter, die ja nicht sprechen konnte, schrieb auf einen Zettel: «Horst soll das nachlassen!» Wir Kinder feixten, sangen trotzdem noch artig «Stille Nacht», und als es viel später zum Zubettgehen kam, sagte mein Bruder: «Das war das schönste Weihnachten, weil Mutti nicht schimpfen konnte!»

    Wolfgang Fiedler

Duft unter dem Weihnachtsbaum

    Weihnachten 1933. Ich war mit meinen acht Jahren stolzer Besitzer von 50 Pfennigen, und es galt, davon Weihnachtsgeschenke für Vater und Mutter und meine kleine Schwester zu kaufen.
    Für die Mutter war das nicht schwierig, sie duftete immer so schön nach ihrer Seife, die kein anderer benutzen durfte, und auch der Preis von 20 Pfennigen erschien mir für Mutters Geschenk vertretbar.
    Für die Schwester Gerlind gab es keine langen Geschenküberlegungen. Sie mochte bunte Lackbilder so gern, und ich erwarb für sie in unserem Schreibwarenladen fünf bunte Lackbilder für 10 Pfennig, darunter ein besonders schönes, nämlich einen pausbackigen und selig lächelnden Engel auf einer Wolke sitzend.
    Aber was sollte ich bloß für die letzten 20 Pfennig für den Vater kaufen? Nach langem Überlegen fiel mir plötzlich ein, daß Vater so gern Harzer Käse mochte und ich ihn sicherlich damit sehr erfreuen würde.
    Tatsächlich bekam ich für mein restliches Geld ein Käseröllchen. Wie froh war ich, nun für jeden das richtige Geschenk gefunden zu haben.
    Endlich war der Abend da, und nach dem Kirchgang durften wir gleich in das Weihnachtszimmer. Meine schön eingewickelten Geschenke legte ich unter den geschmückten Tannenbaum.
    Aber bis zur Bescherung dauerte es noch unendlich lang, denn Vater las erst die ganze Weihnachtsgeschichte noch einmal, obwohl wir sie in der Kirche doch schon gehört hatten. Dann mußte ich mein Gedicht aufsagen und schließlich sangen wir viele Weihnachtslieder, die Mutter auf dem Harmonium begleitete.
    Zwischen «O Tannenbaum» und «O du fröhliche» rümpfte Mutter die Nase und meinte: «Was riecht das bloß komisch?» Auch ich nahm wahr, daß es nicht gerade weihnachtlich roch.
    Nun begann endlich die Bescherung. Mit großer Spannung verfolgte ich, ob meine Geschenke auch die erhoffte Freude auslösen
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