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Weihnachten mit Maigret

Weihnachten mit Maigret

Titel: Weihnachten mit Maigret
Autoren: Georges Simenon
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geschlossen gewesen.«
    »Haben Sie niemanden getroffen?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Nichts. Ich dachte nur, dass jemand versucht hätte, mit Ihnen zu sprechen.«
    Sie hatte genug Zeit gehabt, um viel weiter als nur zur Rue Amelot oder zur Rue du Chemin-Vert zu gehen, wo die meisten Geschäfte des Viertels lagen. Sie hätte sogar ein Taxi oder die Metro nehmen können, um zu fast jedem Punkt in Paris zu gelangen.
    Bestimmt lagen im ganzen Haus die Mieter auf der Lauer. Mademoiselle Doncœur fragte, ob sie gebraucht würde, und Madame Martin wollte sicherlich schon verneinen; aber Maigret antwortete:
    »Es wäre mir lieb, wenn Sie bei Colette blieben, während ich nach nebenan gehe.«
    Sie begriff, dass sie die Aufmerksamkeit des Kindes ablenken sollte, während er sich mit Madame Martin unterhielt. Diese verstand das wohl ebenfalls, ließ sich jedoch nichts anmerken.
    »Treten Sie bitte ein. Gestatten Sie, dass ich die Sachen abstelle?«
    Sie ging in die Küche und stellte die Lebensmittel dort hin, setzte dann ihren Hut ab und richtete ein wenig ihre blonden, glanzlosen Haare. Als sie die Zimmertür wieder geschlossen hatte, sagte sie:
    »Mademoiselle Doncœur ist sehr aufgeregt. Welch glücklicher Zufall für eine alte Jungfer, nicht wahr? Besonders für eine alte Jungfer, die Zeitungsartikel über einen ganz bestimmten Kommissar sammelt, der sich nun endlich in ihrem eigenen Haus befindet! Sie gestatten?«
    Sie nahm eine Zigarette aus einem silbernen Etui, klopfte leicht mit dem Ende auf den Tisch und zündete sie mit einem Feuerzeug an. Vielleicht war es diese Geste, die Maigret veranlasste, ihr eine Frage zu stellen.
    »Sie arbeiten nicht, Madame Martin?«
    »Es wäre schwierig für mich, zu arbeiten und mich um den Haushalt und obendrein noch um die Kleine zu kümmern, auch wenn sie zur Schule geht. Übrigens erlaubt mein Mann nicht, dass ich arbeite.«
    »Aber Sie haben gearbeitet, bevor Sie ihn kennenlernten?«
    »Selbstverständlich. Ich musste mir meinen Lebensunterhalt verdienen. Wollen Sie sich nicht setzen?«
    Er setzte sich in einen rustikalen Sessel mit Korbgeflecht, während sie sich an den Tisch lehnte.
    »Sie waren Stenotypistin?«
    »Das war ich.«
    »Wie lange?«
    »Ziemlich lange.«
    »Waren Sie es auch noch zu dem Zeitpunkt, als Sie Martin kennenlernten? Entschuldigen Sie bitte, dass ich Ihnen diese Fragen stelle.«
    »Das ist Ihr Beruf.«
    »Sie haben vor fünf Jahren geheiratet. Wo haben Sie zu der Zeit gearbeitet? Einen Augenblick... Darf ich Sie nach Ihrem Alter fragen?«
    »Dreiunddreißig. Ich war also damals achtundzwanzig Jahre alt und arbeitete bei Monsieur Lorilleux im Palais-Royal.«
    »Als Sekretärin?«
    »Monsieur Lorilleux hatte ein Schmuckgeschäft, oder genauer gesagt, er handelte mit Souvenirs und alten Münzen. Sie kennen sicher diese alten Geschäfte im Palais-Royal. Ich war gleichzeitig Verkäuferin, Sekretärin und Buchhalterin. Ich führte das Geschäft, wenn er nicht da war.«
    »War er verheiratet?«
    »Ja, außerdem Vater von drei Kindern.«
    »Sind Sie dort weggegangen, als Sie Martin heirateten?«
    »Nicht sofort. Jean wollte nicht, dass ich weiter arbeitete, aber er verdiente nicht gerade sehr viel, und ich hatte eine gute Stellung. In den ersten Monaten bin ich dort geblieben.«
    »Und dann?«
    »Dann geschah etwas, was zugleich einfach war und unerwartet. An einem Morgen um neun Uhr erschien ich wie gewöhnlich vor dem Geschäft, dessen Tür jedoch verschlossen war. Ich wartete, da ich glaubte, Monsieur Lorilleux habe sich verspätet.«
    »Wohnte er woanders?«
    »Er wohnte mit seiner Familie in der Rue Mazarine. Um halb zehn wurde ich unruhig.«
    »War er tot?«
    »Nein. Ich rief seine Frau an, die mir sagte, dass er die Wohnung wie gewöhnlich um acht Uhr verlassen habe.«
    »Von wo aus riefen Sie an?«
    »Vom Handschuhgeschäft nebenan. Ich wartete den ganzen Vormittag. Dann kam seine Frau. Wir gingen zusammen aufs Polizeirevier, wo man die Sache übrigens nicht tragisch nahm. Man fragte seine Frau lediglich, ob er herzkrank war, ob er ein Verhältnis hatte usw. Er wurde nie wieder gesehen und ließ nichts mehr von sich hören. Das Geschäft wurde an mehrere Polen verkauft, und mein Mann bestand darauf, dass ich keine Arbeit mehr annahm.«
    »Wie lange waren Sie damals verheiratet?«
    »Vier Monate.«
    »Hatte Ihr Mann da bereits im Südwesten Frankreichs zu tun?«
    »Er bereiste dasselbe Gebiet wie jetzt.«
    »War er in Paris, als Ihr Chef
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