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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment
Autoren: Terry Pratchett
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sein Adressbuch«, sagte Polly und blätterte.
    Das ist es, dachte sie. Hier steht alles. Generäle, Majore, Hauptleute. Meine Güte. Es müssen Hunderte… sein. Vielleicht tausend! Namen,
echte
Namen, Beförderungen, Datumsangaben… alles…
    Polly betrachtete eine rechteckige weiße Karte, die wie ein Lesezeichen zwischen den Seiten steckte. Sie zeigte ein üppig verziertes Wappen und trug folgende Aufschrift:
     
     
     
    William De Worde

REDAKTEUR, DIE TIMES VON ANKH-MORPORK
    »
Die Wahrheit macht frech
«
    Schimmerstraße, Ankh-Morpork K-Mail:
[email protected]
     
    Jemand hatte das »ch« in »frech« durchgestrichen und »ei« darüber geschrieben.
    Plötzlich entstand eine Idee…
    Auf wie viele verschiedene Arten kann man einen Krieg führen?, fragte sich Polly. Wir haben jetzt die Klacker. Ich kenne einen Mann, der Dinge aufschreibt. Die Welt dreht sich. Mutige kleine Länder, die Selbstbestimmung anstreben, könnten sich als nützlich erweisen für große Länder mit eigenen Plänen.
    Zeit, den Käse zu nehmen.
    Polly blickte an die Wand, und ihr Gesichtsausdruck hätte viele wichtige Leute das Fürchten gelehrt. Sie wären noch besorgter gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass Polly die nächsten Stunden damit verbrachte, Dinge aufzuschreiben. General Schnitz hatte es nicht mit Dummheit dorthin geschafft, wo sie sich jetzt befand, und Polly hielt es für ratsam, ihrem Beispiel zu folgen. Sie schrieb das ganze Notizbuch ab und verstaute die Unterlagen in einem alten Einmachglas, das sie unterm Stalldach versteckte. Anschließend schrieb sie noch einige Briefe, holte dann ihre Uniform hervor und inspizierte sie kritisch.
    Die Uniformen für Polly und die anderen hatten eine zusätzliche Qualität, die man nur als… mädchenhaft bezeichnen konnte. Sie hatten mehr Tressen, waren besser gearbeitet, und ein langer Rock mit Gesäßrolle ersetzte die Hose. Federn schmückten die Tschakos. Pollys Uniform war mit den Streifen eines Feldwebels verziert. Es war ein
Witz
gewesen. Ein Feldwebel für Frauen. Ja, die Welt war auf den Kopf gestellt worden.
    Maskottchen waren sie gewesen, Glücksbringer… Und beim Marsch nach Prinz-Marmaduk-und-Pjotr-Albert-Hans-Josef-Bernhardt-Wilhelmsberg hatten sie alle einen Witz gebraucht. Aber wenn man eine Welt auf den Kopf stellt, kann man vielleicht auch einen Witz auf den Kopf stellen. Danke, Zahnloser, auch wenn du nicht weißt, was du mich gelehrt hast. Wenn sie über einen lachen, passen sie nicht auf. Und wenn sie nicht aufpassen, kann man ihnen in die Weichteile treten.
    Sie betrachtete sich im Spiegel. Ihr Haar war jetzt gerade lang genug, um lästig zu sein, aber noch nicht lang genug, um attraktiv zu wirken. Sie bürstete es und beließ es dabei. Dann zog sie die Uniform an – der Rock kam über ihre Hose – und hatte dabei das seltsame Gefühl, sich als Frau zu verkleiden.
    Na bitte. Sie sah völlig harmlos aus. Mit den beiden Entermessern und einer stählernen Armbrust auf dem Rücken sah sie etwas weniger harmlos aus, vor allem wenn man wusste, dass die Mitte der Pfeilscheibe im Wirtshaus tiefe Löcher von ihrem Übungsschießen hatte.
    Sie schlich durch den Flur zum Fenster, durch das man auf den Hof des Gasthauses sehen konnte. Paul stand auf der Leiter und malte das Schild neu. Pollys Vater stand neben der Leiter und rief Anweisungen auf seine typische Art: Er rief sie ein oder zwei Sekunden nachdem man schon begonnen hatte, sie auszuführen. Und Knaller – nur Polly nannte sie noch so, und nur sie wusste warum – beobachtete sie mit Jack in den Armen. Es war ein hübsches Bild. Für einen Moment wünschte sich Polly ein Medaillon dafür.
    Das Wirtshaus »Zur Herzogin« war kleiner, als sie gedacht hatte. Aber wenn man es verteidigen musste, indem man mit dem Schwert in die Tür trat, so kam man zu spät. Wenn man sich um kleine Dinge kümmern wollte, musste man sich zuerst der großen annehmen, und vielleicht war die Welt nicht groß genug.
    Die Mitteilung, die sie auf der Frisierkommode zurückließ, lautete: »Knaller, ich hoffe, du und Jack seid hier glücklich. Paul, kümmere dich um sie. Vater, ich habe nie Arbeitslohn verlangt, aber ich brauche ein Pferd. Ich werde versuchen, es zurückzuschicken. Ich liebe euch alle. Wenn ich nicht zurückkehre, verbrennt diesen Brief und seht unterm Stalldach nach.«

Polly kletterte aus dem Fenster, sattelte im Stall ein Pferd und führte es durchs hintere Tor. Sie stieg erst auf, als sie außer Hörweite war, dann
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