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Was Farben sagen

Was Farben sagen

Titel: Was Farben sagen
Autoren: Isabelle Wolf
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gleichsam die Waage zwischen männlichen/warmen und weiblichen/kalten Farben 8 , es ruht somit in sich. Die Ruhe, die Grün ausstrahlt, kann ebenso erklärt werden durch seine Mischung aus nach vorne drängendem Gelb und sich zurückziehendem Blau, die sich im Grün treffen und gegenseitig ausbremsen. Was bleibt, ist Stillstand und ausgeglichene Ruhe, die sich unter anderem in unbeweglichen, aber harmonischen Möbelstücken wiederfinden. Wassily Kandinsky, der die Farbtöne, bevor er sie anmischte, gesummt hat, hat ein mittleres Grün ebenfalls als ausgleichend in seiner Wirkung beschrieben, wenn er auch eine andere Basis hatte, von der er ausging: Er ließ die Farben einzeln auf sich wirken und verglich sie häufig mit Klängen, um seine Eindrücke über den Vergleich mit der Musik greifbarer zu machen. Für Grün wählte er als Parallelismus die » ruhigen, gedämpften, mitteltiefen Töne der Geige«, die ebenso harmonisch wirken wie der Farbton selbst. Damit sind bereits drei Entsprechungen für Grün grob umrissen: Stil, Form und Klang. Doch auch bestimmte Düfte, Zahlen und vieles mehr haben den gleichen inneren Gehalt wie die Farbe, wie wir sehen werden.
    Aus den Parallelismen lässt sich erkennen: Mit der Farbsprache ist eine weitaus präzisere, facettenreichere Kommunikation möglich als mit Worten: Zu sagen, er sei quittengelb oder der Raum habe eine dunkelblaue Atmosphäre, drückt mit einem Farbbegriff mehr aus, als eine komplette Seite ausformulierter Text es könnte. Denn eine Farbe vereint mehrere (Bedeutungs-)Ebenen in sich– die Farbsprache ist multidimensional. Mit einem Farbimpuls kann daher nicht nur präziser kommuniziert, sondern auch weitaus mehr an Information vermittelt werden als mit einem Begriff in einer regulären Sprache, da immer mehrere Ebenen gleichzeitig wirken: Ein Farbton ruft stets zugleich Formen, Stile, Klänge und vieles mehr wach, die ein vielschichtiges Bild weben. Das Zusammenspiel aller Ebenen kreiert eine facettenreiche, lebendige Aussage, und die Idee wird zugleich von mehreren Sinneseindrücken unterstützt.
    Für jede Farbe habe ich einige der Parallelismen für die Bereiche Raumgestaltung und Mode zusammengefasst. Neben diesen beiden gibt es selbstverständlich noch zahlreiche weitere; denkbar wären auch Bereiche wie Gartengestaltung, Produktdesign und Ernährung oder noch spezifischer: Buchstaben, Symbole, Pflanzen oder Organe. Alexander Theroux hat bei seinen Betrachtungen über Farben sogar jedwede Einordnung in starre Kategorien außen vor gelassen und beispielsweise ein heiteres, verspieltes Orange unter anderem mit dem menschlichen Knie, Eulen, Scheinwerfern, Clownshaaren, dem Wort » Dixie«, Winnie the Pooh, Lachen, Karussellpferden, Spaßmessen, Surfen, Jukeboxes und vielem mehr assoziiert.
    Jede Farbe ist episch … und auch wenn der berühmte rote Faden in diesem Buch mit nur zwei Beispielbereichen– Mode und Einrichtung– relativ straff gespannt wurde, statt ihn noch um manche andere interessante Bäume am Wegesrand zu wickeln, hoffe ich, dass die » Multidimensionalität« von Farbe, das heißt die zahlreichen Ebenen, auf denen man eine Farbe lesen kann, dennoch deutlich wird.
    Alle Theorie ist grau: Die farbenfrohe Praxis
    Â» Jedermann weiß, dass Gelb, Orange und Rot Ideen der Freude und des Reichtums einflößen und darstellen.«
    Â» So so. Sagt wer?«
    Â» Der Maler Eugène Delacroix.«
    Â» Schön, und was fange ich damit an?«
    Die Farbsprache ist faszinierend. Doch, wie es der Dialog mit einem Freund auf den Punkt gebracht hat: Was nutzt mir dieses Wissen? Warum sollte ich ein Interesse daran haben, die Sprache der Farben zu lernen? Schließlich setzt sich auch niemand freiwillig an den Schreibtisch und paukt französische Vokabeln, wenn er damit nicht a) seinen Nachbarn aus » Fronkreisch« beeindrucken will, b) im Job dorthin versetzt wird und sich nicht nur von baguette et vin ernähren möchte oder c) zu den (seltenen) Zeitgenossen gehört, die Balzac gerne im Original lesen möchten. Kurz: Wenn man eine Sprache lernt, will man einen Nutzen davon haben. Man will das, was mit ihr ausgedrückt wird, zum einen verstehen können. Zum anderen möchte man in der Lage sein, in der neuen Sprache zu kommunizieren. Auf die Farbsprache angewendet heißt das, dass es in diesem Buch nicht nur
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