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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Autoren: Claus Beling
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Hafeneinfahrt zu entdecken oder ein anderes Schiff. Was sollte sie tun? Sie war allein mit dem Mörder.
    Sosehr sie sich auch den Kopf zermarterte – wie sie doch noch von Bord fliehen konnte, wie die schrecklichen Verbrechen, die Kinross offenbar begangen hatte, miteinander zusammenhingen –, resignierend musste sie erkennen, dass sie der Situation ausgeliefert war. Am meisten quälte sie der Gedanke an Constance, die hilflos in ihrem Verlies festsaß.
    Gegen ein Uhr morgens ließ der Wind nach. Kurz darauf wurde die Harmony plötzlich langsamer, bis sie irgendwann im Leerlauf dahintrieb. Alarmiert stieg Emily wieder die Treppe hoch, öffnete vorsichtig die Luke und beobachtete ängstlich, was an Deck geschah.
    Kinross hatte alle Positionslampen gelöscht und auch den Neonstrahler in seiner Kajüte ausgeschaltet, sodass nur noch der Mond sein Licht auf das Schiff warf. Breitbeinig stand Kinross vor dem Netzkran am Bug und starrte nach Backbord über die Reling.
    Dort tauchte plötzlich ein Frachter auf. Seine Aufbauten und der Mast hoben sich fast bedrohlich gegen das Meer ab. Emily glaubte die spanische Flagge am Heck zu erkennen. Auch drüben waren die Lichter ausgeschaltet. Der Frachter schien auf dem Wasser stillzustehen, doch Emily wusste, dass dieser Eindruck täuschte, denn in Wirklichkeit trieben beide Schiffe genauestens aufeinander abgestimmt nebeneinander her.
    Am geheimnisvollsten war, dass sich an Deck des Frachters niemand zeigte. Es sah aus wie ein Totenschiff. Die erwartungsvolle Stille, die sich zwischen beiden Schiffen aufbaute, wurde nur durch das Klatschen der Wellen unterbrochen.
    Plötzlich kam ein Schlauchboot mit Außenbordmotor auf die Harmony zu.
    Emily konnte erkennen, dass ein einzelner Mann in dem Boot saß, vor sich einen Stapel Kisten oder Kartons. Wahrscheinlich war es eine illegale Lieferung für die asiatische Apotheke an Bord.
    Kinross ging zur Reling und warf dem Mann, der durch seine dunkle Wollmütze und die schwarze Fleecejacke fast mit dem schwarzen Hintergrund verschmolz, eine Strickleiter zu. Dann zog er ihn an Deck.
    Emily hätte beinahe aufgeschrien, als der Besucher die Mütze abnahm. Vor Aufregung biss sie sich so fest auf die Unterlippe, dass sie den Geschmack von Blut in ihrem Mund spürte.
    Der Mann war Richard.
    Er war kaum wiederzuerkennen. Der graue Vollbart, der einen Großteil seines Gesichtes bedeckte, machte ihn älter, als er tatsächlich war. Er war auch dicker geworden, schwerfälliger, was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass er Probleme beim Gehen hatte. Sein rechtes Bein schien steif zu sein. Er benutzte einen Stock. Einen Augenblick lang erinnerte er Emily an seinen eigenen Vater, einen britischen Kriegsveteranen.
    Nach dem ersten Schock war Emilys zweite Empfindung ohnmächtige Wut, als sie ihren Mann dort stehen sah. Am liebsten wäre sie ihm entgegengetreten, damit er wusste, dass sie seine Lügen entlarvt hatte. Doch stattdessen musste sie weiter in diesem engen Loch unter Deck ausharren und durfte ihn nur beobachten – und das alles, damit sie seine Tochter retten konnte.
    Was für ein Hohn!
    Seine Stimme hatte sich kaum verändert, sie war wie früher ruhig und klar. Noch ein schmerzhafter Augenblick, den sie verkraften musste.
    Während Richard sich an die Rückseite der Kapitänskajüte lehnte, wo es windgeschützt war, sagte er zu Tony Kinross:
    »Ich weiß, dass wir heute spät dran sind. Aber meine Spanier hatten ein Problem mit dem Anker. Wir mussten die Kette austauschen.«
    Mit beiden Händen begann er, sein Knie zu massieren.
    Emily konnte jedes Wort verstehen. Sie sah auch, dass Kinross sehr nervös war, als hätte er Angst vor Richard.
    »Ist schon okay«, sagte der Fischer. »Ich wünschte, das wäre meine größte Sorge.«
    »Darauf kommen wir noch zu sprechen«, antwortete Richard seltsam gefühllos. Plötzlich wirkte er gefährlich, ganz anders, als sie ihn gekannt hatte. »Was macht Guernsey? Lief in letzter Zeit wohl nicht so gut. Oder täusche ich mich?«
    »Stimmt schon«, gab Kinross zu. »Aber das hängt damit zusammen, dass die Leute auf Guernsey und Sark die Krise spüren und weniger kaufen. Sogar die Kranken. Das Einzige, was auf Sark wie verrückt läuft, sind die Ling-Zhi-Pilze.« Er lachte kurz auf.
    In scharfem Ton entgegnete Richard: »Zum Glück findet nicht jeder unsere Mittel so komisch wie du. Du siehst nur das Geld, das damit zu machen ist.«
    »Das ist nicht wahr!«, ereiferte sich Kinross. »Wäre ich
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