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Was die Nacht verheißt

Titel: Was die Nacht verheißt
Autoren: Kat Martin
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verschüttetem Bier aufzuwischen, da ein Krug umgefallen war, und ihr langer einzelner Zopf hing ihr über die Schulter.
    »Ich bin erst eben zurückgekommen«, sagte Flo. »Wir hatten keine Eier mehr. Dazu habe ich noch ein Stück Schweineschulter für das Frühstück von deinem Papa mitgebracht.«
    »Und, hast du irgendeinen interessanten Klatsch gehört?«
    »Herrgott noch mal, das hätte ich beinah vergessen. Ich habe wirklich etwas gehört, das dich interessieren wird.«
    »Hoffentlich was Angenehmes. Das würde mir zur Abwechslung mal gut tun.«
    Flo trat hinter die breite Brettertheke, um den losen Spund  eines Fässchens zu befestigen, aus dem der Brandy tropfte. »Es heißt, dass die Seehabicht einlaufen soll. Müsste eigentlich jetzt schon angelegt haben. Cap Ogden unten am Leuchtturm hat sie heute Morgen ausgemacht, als sie auf dem Weg in den Hafen war.«
    Brandys Herz begann unangenehm laut zu schlagen. Die Seehabicht. Das konnte doch nicht sein. Aber ihr Puls wurde trotzdem noch ein wenig schneller. »Ich dachte, Kapitän Delaine wäre auf dem Weg nach England. Ich hätte nicht erwartet, dass wir ihn in den nächsten paar Monaten noch einmal sehen würden.«
    Flo zuckte die Schultern. Sie war eine schlanke Frau mit breiten Hüften und einem offenen, freundlichen Lächeln. »Davon weiß ich nichts. Aber Cap klang so, als wenn er ziemlich sicher wäre. Er täuscht sich eigentlich selten.«
    Brandys Hand zitterte leicht. »Nein ... eigentlich täuscht er sich selten, da hast du Recht.« In Gedanken versunken ging sie weg, ganz auf das große Schiff Seehabicht mit seinen vielen Segeln und dem gut aussehenden Besitzer, Kapitän Marcus Delaine, konzentriert. Oder besser gesagt Kapitän Delaine, Lord Hawksmoor, den sein kürzlich ererbter Titel selbst ebenso überrascht hatte wie alle anderen.
    Sie dachte an sein schlankes, dunkles, leicht arrogantes Profil und fand, dass das eigentlich ungerechtfertigt war. Er hatte immer eine besondere Ausstrahlung gehabt. Seine adlige Abstammung war in jeder Geste und jeder selbstbewussten Bewegung klar erkennbar. Er war zum Befehlshaber geboren, und das ließ jeder Zug seines dunklen, anziehenden Gesichts erkennen, von den hohen Wangenknochen bis zu der festen Form seiner wohlgeformten Lippen.
    Er war groß und breitschultrig, mit schmalen Hüften und ohne eine Spur von überflüssigem Fett auf den Knochen. Er war fest und sehnig gebaut, sein Haar war kohlrabenschwarz und leicht gelockt und immer ein wenig zu lang, sodass es bis auf den Kragen seines perfekt geschneiderten marineblauen Rocks reichte. Marcus Delaine war ein besonderer Mann. Das wusste seine Mannschaft und ebenso Brandy Winters.
    Und genau aus diesem Grund war sie, solange sie sich erinnern konnte, immer schon ein wenig in ihn verliebt gewesen.
    »Jetzt solltest du aber besser loslegen, Mädchen«, schubste sie Flo in Richtung Bar. »Big Jake kommt die Treppe herunter. <:
    Brandy seufzte und nickte, setzte ein Lächeln auf und machte sich an die Arbeit. Der Nachmittag verging, und der Abend brach an. Der Schankraum war langsam voll geworden, hauptsächlich mit Matrosen von der Fairwind. Rauch hing in Schwaden über der breiten Brettertheke und brannte mit herbem Tabakgeruch in ihren Lungen. Raues Gelächter stieg zu den schweren, altersdunklen Balken auf.
    Die Stunden vergingen quälend langsam, erfüllt von halbseidenen Scherzen und Brandys Bemühungen, den grapschenden Händen der Matrosen auszuweichen. Herr im Himmel, sie hasste diesen Ort. Wenn Gott ihr nur einen einzigen Wunsch gewähren würde, wäre es ihr Entkommen von diesen geistlosen Schuften und aus den endlosen Stunden der Langeweile im Wirtshaus Weißes Pferd.
    Eines Tages, dachte sie sehnsüchtig. Eines Tages werde ich einen Weg finden, von hier fortzugehen.
    Der Abend zog sich dahin. Sie bediente an einem Tisch mit britischen Seeleuten und hörte fasziniert einer Geschichte zu, die ein Matrose namens Broggs erzählte. Eine englische Truppe von Zwangsrekrutierern hatte ihn zum Dienst gezwungen, als er noch ein Junge gewesen war. Seltsamerweise war im Laufe der Jahre aus dem Jungen ein Mann geworden, der die Seefahrt und ihre vielen Abenteuer liebte. Brandy lauschte mit einem Anflug von Neid und wünschte sich, wie schon viele hundert Male davor, sie wäre als Junge geboren worden, der davonlaufen und zur See gehen konnte, um ein Leben voller
    Abenteuer zu suchen, anstatt wie eine Gefangene an eine elende Zukunft im Wirtshaus Weißes Pferd
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