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Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Titel: Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Autoren: Christian Hesse
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Grundelemente: die Bedienraten der Bedienenden, den Ankunftsstrom mit der Rate der sich neu anstellenden Kunden und den Wartebereich mit seiner Länge, also die eigentliche Schlange. Diese Elemente streuen in ihren Eigenschaften statistisch.
    Warteschlangen haben eine mathematisch ganz exquisite Dynamik. Man kann das pulsierende Auf und Ab einer Warteschlange mit der chaotischen Bewegung der Moleküle in einer Flüssigkeit vergleichen und die Warteschlangen-Dynamik sehr genau annähern durch die Dynamik der Molekülbewegung, wenn man diese auf eine Dimension herunterbricht. Einer Bewegung nach links des Moleküls entspricht ein Kunde, der gerade bedient worden ist und den Schalter für den nächsten Kunden frei macht, so dass die Länge der Warteschlange um 1 vermindert wird. Einer Bewegung nach rechts des Moleküls entspricht ein Kunde, der sich an der Schlange anstellt, worauf ihre Länge um 1 vergrößert wird.
    Albert Einstein hat die Molekularbewegung von Teilchen in Flüssigkeiten vor rund hundert Jahren tiefschürfend untersucht. Einige seiner Ergebnisse konnten für die Analyse von Wartesituationen fruchtbar gemacht werden, etwa von dem Warteschlangentheoretiker Professor Thomas Hanschke aus Clausthal-Zellerfeld. So kann man inzwischen mit der Analogie zwischen Warteschlangen- und Moleküldynamik viele Kenngrößen von Wartesystemen sehr präzise berechnen: Dazu gehören die mittlere Wartezeit eines Kunden und die durchschnittliche Länge der Warteschlange. Es lassen sich auch Effizienzberechnungen für einen reibungslosen Ablauf anstellen, man kann also etwa eine Antwort auf die Frage finden: Wie viele Schalter sind nötig, damit 90 % der Kunden bei gegebenem Andrang nicht mehr als fünf Minuten warten müssen?
    Grob gesprochen, sagt die Theorie, dass Unregelmäßigkeiten und Variationen in Wartesystemen lange Schlangen erzeugen: Der eine steht vor der Supermarktkasse mit nur vier Teilen im Wagen, der andere macht den Wocheneinkauf für eine fünfköpfige Familie, der eine hat sein Bargeld parat, der andere will mit EC-Karte zahlen und sucht die Karte, der Nächste hat vergessen, seine Bananen abzuwiegen.
    Die Theorie sagt uns auch, dass 10 Kunden vor einem Schalter etwas gründlich anderes sind als 100 Kunden vor 10 Schaltern. Das Zweite ist entschieden vorzuziehen, bietet es doch bessere Chancen für den Einzelnen, eine Kasse schneller zu passieren; denn große Systeme können Unregelmäßigkeiten leichter und effektiver kompensieren. Gibt es nur eine einzige Kasse und vorne steht die Oma, die nach ihrem Portemonnaie sucht, dann geht es nun einmal nicht weiter.
Arithmetik des Anstehens oder Aus zwei mach fünf

WC-Zeichen aus Lausanne
In den USA hat der Architekt Alexander Kira die Verweildauer auf der Toilette gemessen. Bei Frauen ist sie im Schnitt rund zweimal so lang wie bei Männern. Das daraus folgende Theorem sagt aber nicht, dass die Warteschlange vor der Damentoilette im Mittel doppelt so lang ist wie die vor der Herrentoilette. So einfach ist der Zusammenhang nicht. Nein, sie ist im Durchschnitt rund fünfmal so lang, sagt die Theorie. Und das wird von der Praxis gut bestätigt.
    Flotter warten. Die mathematische Warteschlangentheorie hilft auch dabei, Wartesysteme und ihre Betriebsabläufe zu optimieren. Es zeigt sich, dass das Prinzip der sogenannten amerikanischen Schlange für den Durchstrom größtmöglicher Kundenzahlen pro Zeiteinheit am besten geeignet ist. In unseren Breitengraden findet man diese Schlangenform zum Beispiel in Postfilialen. Alle Kunden stellen sich an nur einer einzigen Schlange an, und wer den Kopf der Schlange erreicht, begibt sich zu dem nächsten freien Schalter. Zwar sind Schlangen dieses Typs in der Regel recht lang, doch haben sie bei entsprechender Schalterzahl meist eine hohe Geschwindigkeit und können somit zügig vom Einzelnen durchlaufen werden. Auch die Kapazität der Kassen und Bediener wird besser ausgeschöpft und größtmögliche Bediengerechtigkeit hergestellt. Wer zuerst da war, wird tatsächlich auch früher bedient. Und die Frage, welche Schlange er bei mehreren Schlangen wählen soll, bleibt dem Kunden erspart.
    Es gibt auch so etwas wie eine Psychologie des Wartens. Wie Studien ergeben haben, ist die gefühlte Wartezeit teilweise bis zu dreimal so lange wie die tatsächliche Wartezeit. Auch gibt es den verbreiteten Eindruck, immer in der falschen Schlange zu stehen. Man hat sich irgendwo eingereiht, aber ein anderer, der später kam, zieht in
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