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Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)

Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)

Titel: Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
Autoren: Wolfgang Seidel
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Neunzigerjahre, als man nach dem Ende des Kalten Krieges schon das »Ende der Geschichte« nahe wähnte, selbst ehemalige erzkommunistische und erzsozialistische Staaten wie China und Indien mit ihrer ständigsteigenden Nachfrage die Weltwirtschaft belebten und extrem liberalisierte Finanzmärkte in London und New York anscheinend unbemerkt von Aufsichtsbehörden und Medien ein immer größeres Rad der gegenseitigen Verschuldung drehten.
    Dann fiel der entsetzliche Schatten zweier Flugzeuge auf die Türme des World Trade Centers, die innerhalb weniger Stunden zerbarsten und über 3000 Opfer unter sich begruben. Der scheinbare Sieger des Kalten Krieges war aus buchstäblich heiterem Himmel ins Herz getroffen. Seitdem herrscht ein neuer »asymmetrischer« Weltkrieg, der jedermann zu jeder Zeit an jedem Ort treffen kann, wie kurz vor der Fertigstellung dieses Buches der Anschlag vom 29. März 2010 auf die Moskauer U-Bahn an den Haltestellen Lubjanka und Kulturpark gezeigt hat.
    9/11 machte das Schlagwort vom »Asymmetrischen Krieg« zum geläufigen politischen Begriff: Asymmetrie von oben durch das Einsetzen überlegener militärischer Mittel der Großmächte gegen von vornherein unterlegene Staaten oder Völker. Asymmetrie von unten durch »terroristische Gegenanschläge«.
    1978
    MUDSCHAHEDDIN     »Afghanistan« wird erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts als Staatsbezeichnung verwendet. Das Land am Hindukusch war immer Randzone Persiens, Indiens und Zentralasiens, Durchgangsland am Khaiber-Pass von Ost nach West oder für turkmongolische Invasoren von Nord nach Süd, seit jeher Schauplatz der Interessen der Großmächte. Dementsprechend groß ist seine strategische Bedeutung und es stand fast immer unter Fremdherrschaft. Die wichtigsten Stammesgruppen, die Paschtunen, vermochten zwar durch Aufstände die jeweils Herrschenden in Atem zu halten, konsolidierten aber kein autonomes Machtzentrum. Daran war auch nicht zu denken, als im 19. Jahrhundert und bis zum Ende des Ersten Weltkrieges hier im Great Game die Interessensphären des Zarenreiches und des Britischen Empires aufeinanderstießen: Russland drängte zum Indischen Ozean, Großbritannien wollte genau dies verhindern. Durch die Oktoberrevolution von 1917 schied Russland aus diesem großen geostrategischen Machtspiel vorläufig aus. Seit 1919 gab es ein paschtunisches (konstitutionelles) Königreich von britischen Gnaden als Puffer zu Russland. Noch in den 1970er Jahren konnten unternehmungslustige Hippies aus Westeuropa über den malerischen Khaiber-Pass zu ihren Gurus nach Indien pilgern und sich unterwegs mit preiswertem »Afghan« eindecken.
    Der letzte Paschtunen-König Sahir Schah wurde 1973 in Afghanistan gestürzt (und kehrte erst nach der Zerschlagung des Taliban-Regimes in hohem Alter aus dem Exil zurück). 1978 übernahm die Kommunistische Partei die Macht.Sie versuchte ähnliche weltliche und soziale Reformen durchzusetzen wie seinerzeit der Schah in Persien. Dagegen wehrte sich die einheimische Bevölkerung in lose organisierten Mudschaheddin-Kampfgruppen. Das Wort »Mudschaheddin« hängt zusammen mit »Dschihad«. Diese »heiligen Krieger« führten gegen die 1979 einmarschierten sowjetischen Truppen einen zehnjährigen verlustreichen Guerillakrieg. Wegen dieses Einmarsches wurden die Olympischen Spiele in Moskau 1980 von vielen Staaten boykottiert. Die Mudschaheddin wurden über Pakistan von den USA und Saudi-Arabien mit Waffen unterstützt und ausgebildet. Erst Michail Gorbatschow leitete den Abzug der sowjetischen Truppen ein, die 1989 ein zerstörtes, innerlich verfeindetes Land im Chaos hinterließen.
    TALIBAN     heißt: »Schüler«. Gemeint sind Schüler von Koranschulen (Madrassas), die von paschtunischen Stammesangehörigen im afghanischen Kandahar-Gebiet besucht wurden. Zunächst wurden diese Gruppen im pakistanischen und amerikanischen Interesse eingesetzt, um die Sicherheit auf den Straßen in Afghanistan zu gewährleisten. Seit der Zeit des Abwehrkampfes gegen die Sowjets herrschte wegen des Treibens von Banditen und Stammeshäuptlingen weitgehend Anarchie in Afghanistan. Nach dem Abzug der Sowjets folgte ein Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Mudschaheddin-Gruppen, aus denen Mitte der Neunziger die Taliban als Sieger hervorgingen, die seit 1996 auch Kabul kontrollierten. Unter ihrem Anführer Mohammed (»Mullah«) Omar errichteten sie das Islamische Emirat Afghanistan und kontrollierten den größten Teil des Landes.
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