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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)
Autoren: Thomas von Steinaecker
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die anderen auf sind, im Zimmer. Ja, und unmittelbar im Anschluß daran, da habe ich ja den Albert kennengelernt. Das ist schon eine merkwürdige Situation gewesen. Wo ich dann zuerst gedacht habe, du bist vom Albert und wir eigentlich nur deshalb geheiratet haben, und ich habe es ja selbst nicht gewußt. Später ist es mir dann schon gedämmert, und vielleicht hats der Albert sich auch gedacht. Gesagt hat er nie was. Und das mit dem Vaterschaftstest, den ich hab machen lassen, heimlich, das habe ich ihm auch nicht gesagt. Da bist du drei oder vier gewesen und ich hab es ihm eigentlich sagen wollen, aber ich habs nicht gekonnt, weißt du. Das ging nicht. Gesehen habe ich deinen Vater dann ein paar Male noch. Im Fernsehen oder halt so in Zeitschriften. Da habe ich immer Angst bekommen, weil mir dann das Ganze klargeworden ist, und das war dann beinah, na, unerträglich wars halt, dem Albert oder auch dir danach in die Augen zu sehen. Und da hab ich beschlossen, das auf sich beruhen zu lassen. Was war, war. Fertig. Jetzt ist jetzt. Und ich habe nicht mehr verfolgt, was dein Vater macht. Einmal sind wir ihm aber dann doch begegnet. Da wirst dich nicht mehr erinnern daran. Da waren wir zu dritt, du, ich, der Albert, im Kino und haben uns diesen Zeichentrickfilm mit den Dinosauriern angeschaut, und dein Vater ist einer von denen gewesen. Also gesprochen hat er halt einen. Na, weißt eh. Und ihr, der Albert und du, ihr habts nichts gespannt, und die Stunde da im Kino, das war so was von furchtbar. Ich habs beinahe nimmer ausgehalten. Ich weiß noch, wie der Albert mich danach gefragt hat, nach dem Kino, was ist, und wie ich es auf die Klimaanlage im Kino und die Hitze draußen geschoben habe.“
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    Sie bekommt, als sie sich unter der Dusche mit dem Gel einschmiert, ihre Oberarme, ihre Brüste, zwischen ihren Beinen, plötzlich Lust zu masturbieren, sie steckt sich den Zeige- und Mittelfinger in die Scheide, plötzlich klopft es. Tina fragt: „Wendy?“
    Wendy ruft: „Ich dusche gerade,“ und ihr fällt ein, daß ja gar nicht abgesperrt ist, und sie singt was, damit Tina nicht etwa auf den Gedanken kommt, daß sie, Wendy, hier gerade masturbiert, daß sie so ein armes Schwein sei und das nötig habe, „Lalala“, und sie reibt und greift noch zusätzlich an den Nippel ihres rechten Busens, und sie hört, wie Tina bei offener Tür telefoniert, laut, was sie sagt, ist unter dem pritschelnden Wasser nicht zu verstehen, und Wendy muß daran denken, wie sie zu Hause, in Salzburg, zum ersten Mal – wann war das? – mit 12, 13 unter der Dusche masturbierte und wie sie gar nicht gewußt hatte, was damals mit ihr geschah, und, als sie die Mama klopfen hörte, zu singen begonnen hatte, „Lalala“, und sie muß an die grünen Kacheln in der Dusche in der Wohnung in Salzburg denken, als sie kommt.
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    „Mein Urgroßvater, Günter Wallner, konnte auf eine erfolgreiche, wenn auch an äußeren Höhepunkten arme Karriere als Rechtsanwalt in Köln zurückblicken, als er zusammen mit meiner Urgroßmutter, der fast zehn Jahre jüngeren Renate Wallner, vor die Tore der Stadt, nach Bergisch-Gladbach, in ein Haus mit großem Garten zog, um seine Rente anzutreten und nun endlich dem ein oder anderen Hobby, insbesondere dem Wandern, mehr Zeit zu widmen. Wie freuten sich meine Urgroßeltern, wenn ihr Sohn mit seiner Frau und ihrem ersten Enkelsohn, dem kleinen Costin, aus der fernen Oberpfalz auf Besuch kamen. Erfüllt war das Haus dann von einer hellen Kinderstimme; und meine Urgroßmutter sorgte stets dafür, daß genügend Bausteine, später Spielzeugautos und –traktoren in einer Truhe im Gästezimmer vorhanden waren, damit dem kleinen Costin auch nicht langweilig wurde.
    Ein Geheimnis freilich sollte mein Urgroßvater haben: Seit der Hochzeit, damals in Regensburg, und über die Jahre, bei gemeinsamen Ausflügen im Bayerischen Wald, und jetzt, in den Nächten, in denen er im Doppelbett neben meiner Urgroßmutter die Stimmen des jüngeren Paares gedämpft durch die Wand hören konnte, während des sonnenbeschienenen Frühstücks auf der Terrasse und der Jause zwischen blühenden Apfelbäumen hielt er stets die Gefühle für seine Schwiegertochter zurück, ja, machte manchmal einen derart unverbindlichen Eindruck, daß meine Großmutter einmal zu ihm trat und fragte: ‚Sag, bist du mir bös, Papa?‘ Sie nannte meinen Urgroßvater auf seine eigene Bitte hin ‚Papa‘. Seine Gedanken mochte er vor allen anderen verbergen können,
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