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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)
Autoren: Thomas von Steinaecker
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rheinischem Akzent: „Ja, wir saßen da, ich am Fenster, mein Mann neben mir, und plötzlich tuts einen Rumms, und ich schlag so zack mit der Stirn jejen den Sitz vor mir, ja und seh noch so, wie mein Mann, also wies den so nach vorne zieht, und ich denke noch, dat is jetzt dat Ende, jetzt isset vorbei mit mir und seh so mein janzet Leben, wie et abläuft, also wie son Film im Kopf, ja und dann bin ich wech und aufjewacht bin ich dann erst wieder in som Zelt, von der Rettung, auf der Wiese und dat erste, was ich die Dame da, die Dame von der Rettung frage, is, wo is mein Dieter, wat hamse mit meinem Dieter jemacht, und da seh ich, dat mein Mann gleich neben mir liegt. Janun. Wie durchn Wunder is dem fast nix passiert. Paar Prellungen und dat Bein jebrochen. Dat war alles.“
    Wendy sagt: „Na is ja jut, jute Frau. Und wie wars denn nun wirklich?“ Sie klickt den File an, den sie sich heute vormittag aus dem Internet geladen hat, einen uralten TV-Zweiteiler, ICE Heinrich Heine .
    Sie läßt den Film mit vierfacher Geschwindigkeit vorlaufen, die Credits tauchen unlesbar auf der Plasma-Wand auf, dazu Streichermusik, bei normaler Geschwindigkeit wohl ziemlich tief, unheilvoll-grollend, jetzt die ein oder andere Oktave höher, munter-pfiffig. Ein älterer Mann erscheint, grauer Bart, graues Haar, der im Zug am Fenster sitzt und Zeitung liest.
    Wendy sagt: „PLAY.“
    Na endlich! Das kann sie gebrauchen. Wenn das gut ist, was jetzt kommt, kann sie daraus vielleicht eine Szene für den Text machen, bei der sie dann später, wenn das ganze Buch fertig ist, schauen wird, wohin sie paßt und ob das alles nicht eher in die fiktionale Richtung geht.
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    „Vor ein paar Momenten noch hat der gleißende Rand der Sonne das Meer zartrosa gefärbt. Jetzt ist sie vollkommen untergegangen, das Wasser grau. Eine Brise ist aufgekommen. Auf Wallners nacktem Oberarm hat sich eine Gänsehaut gebildet. Von der Garage hört er Ana, den grünen VW, den sie gleich nach ihrer Landung in Lissabon bei einem Verleih am Flughafen gemietet haben. Wallner klappt den Krimi zu, den er auf der Terrasse im Licht der Öllampe auf dem Tisch gelesen hat, steht auf und schiebt die Glastür zum Wohnzimmer auf. Nachdem Ana zwei Ferienhäuser ausgewählt hatte, die für den Urlaub im Mai in Frage kamen, und sie zusammen mit Wallner durch beide Gebäude einen virtuellen Rundgang gemacht hatte – mit einem Click die Türen öffnen, sich ruckartig durch die Zimmer bewegen, vom Wohnzimmer aus durch die Glasfront auf den Sonnenuntergang, das zartrosa gefärbte Meer sehen –, haben sie sich gegen das Haus in Spanien und für jenes in Portugal entschieden, obwohl beide vom Preis und vom Aussehen her nahezu identisch waren; lediglich die Verkehrsanbindung wäre in Spanien schlechter gewesen.
    Weil sie beide vom Tag am Meer müde waren und erst am späteren Nachmittag entdeckten, daß sie keine ausreichenden Vorräte für das Abendessen hatten, war Ana ins nächstgelegene Dorf zu der Kneipe gefahren, wo sie schon am ersten Tag mittaggegessen hatten und der Gastraum gleichzeitig auch das Wohnzimmer der Familie zu sein schien, die die Kneipe betrieb: An den Wänden hatten Familienbilder gehangen, der Besitzer hatte im Unterhemd ferngesehen, seine Kinder hatten auf dem Schoß der Besucher gesessen, die, wie der Vater, stumm, die Telenovela im Fernsehen verfolgten.
    Ana hat Fisch und Pommes frites mitgebracht; außerdem eine englische Zeitung von vorgestern, die auf der Titelseite von einem Giftgasanschlag in der U-Bahn Tokios nach dem Muster des Anschlags dieser Sekte vor einigen Jahrzehnten berichtet. Die Meldung mußte kurz vor Redaktionsschluß hereingekommen sein, denn es waren lediglich Spekulationen über die Drahtzieher, über den Tathergang und die Zahl der Toten oder Verletzten zu lesen. Neben dem Artikel ist ein Foto zweier Männer, Asiaten, in weißen Hemden und Anzughosen, abgebildet. Beide kommen gerade, wohl der Katastrophe entronnen, die Treppe eines vor Qualm kaum auszumachenden Eingangs einer U-Bahn-Station hinaufgelaufen.
    Nachdem Wallner die Essensreste in den Abfalleimer gekippt hat, bittet er Ana nachzusehen, ob der Sonnenbrand, den er sich am zweiten Tag ihres Aufenthalts am Rücken geholt hatte, besser geworden sei. Am Strand legt sich Wallner, immer wenn er im noch kühlen Wasser geschwommen ist, zum Aufwärmen in die Sonne, schwimmt wieder, legt sich wieder in die Sonne und so weiter. Sitzt Ana nicht unter dem Sonnenschirm und liest, geht sie
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