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Wallander 07 - Mittsommermord

Wallander 07 - Mittsommermord

Titel: Wallander 07 - Mittsommermord
Autoren: Henning Mankell
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Ich darf auf dem Auto eines der Kunsthändler sitzen. Einer von denen, die die Bilder meines Vaters kauften und schamlos unterbezahlten. Mein Vater lacht auch. Und er sieht mich an.
    Das Foto sprach aus einer lange abgeschlossenen und unwiederholbaren |33| Wirklichkeit zu ihm. Sein Vater und er hatten einmal ein gutes Verhältnis gehabt. Aber als er sich entschloß, Polizeibeamter zu werden, änderte sich alles. Erst in den letzten Lebensjahren seines Vaters hatten sie langsam etwas von dem Verlorenen wiedergefunden.
    Aber so weit wie hier sind wir nie mehr gekommen, dachte Wallander. Zu diesem Lachen, wie ich auf der Motorhaube eines glänzenden Buicks sitze. In Rom waren wir nahe daran. Aber eben nur nahe daran.
    Wallander pinnte das Foto mit einer Heftzwecke an die Küchentür. Dann trat er wieder auf den Balkon. Die Wolkenbank war näher gekommen. Zurück im Wohnzimmer, setzte er sich vor den Fernseher und sah den letzten Teil eines alten Films.
    Um Mitternacht ging er ins Bett.
    Am nächsten Tag würde er eine Besprechung mit Svedberg und Martinsson haben. Danach würde er zum Arzt gehen.
    Lange lag er im Dunkeln wach. Vor zwei Jahren hatte er davon geträumt, aus der Mariagata auszuziehen. Sich einen Hund anzuschaffen. Mit Baiba zusammenzuleben.
    Aber nichts von alledem war Wirklichkeit geworden. Keine Baiba. Kein Haus. Kein Hund. Alles war beim alten geblieben.
    Es muß etwas geschehen, dachte er. Etwas, was mich wieder nach vorn blicken läßt.
     
    Erst nach drei schlief er endlich ein.

|34| 2
    In den Morgenstunden zog die Wolkenbank langsam vorüber. Wallander erwachte schon um sechs Uhr. Er hatte wieder von seinem Vater geträumt. Unzusammenhängende Bilder waren in seinem Unterbewußtsein vorübergeflimmert. Er war im Traum zugleich Kind und Erwachsener gewesen. Einen begreifbaren Zusammenhang konnte er nicht erkennen. Der Traum war wie ein Schiff, das in einer Nebelbank verschwindet.
    Er stand auf, duschte und trank Kaffee. Als er auf die Straße trat, spürte er, daß die sommerliche Wärme sich gehalten hatte. Wieder war es vollkommen windstill. Er nahm seinen Wagen und fuhr zum Polizeipräsidium. Es war noch nicht sieben, und die Korridore lagen verlassen. Wallander holte sich eine Tasse Kaffee und betrat sein Zimmer. Sein Schreibtisch war, was äußerst selten vorkam, nicht mit Akten überhäuft, und er fragte sich, wann er zuletzt so wenig zu tun gehabt hatte. Im Lauf der Jahre hatte Wallander erlebt, wie seine eigene Arbeitsbelastung im gleichen Maß wuchs, in dem die erreichbaren Kapazitäten schrumpften. Ermittlungen blieben liegen oder wurden vernachlässigt. Wallander wußte, daß in vielen Fällen, in denen die Voruntersuchung einen Verdacht auf ein Verbrechen ergab, dennoch keine weiteren Schritte unternommen wurden. Das hätte nicht so sein müssen. Wenn sie mehr Zeit hätten. Wenn die Abteilung nicht so unterbesetzt wäre.
    Man konnte immer darüber streiten, ob Verbrechen sich lohnte oder nicht. Es würde sich auch nie ein genauer historischer Zeitpunkt bestimmen lassen, wann die Lage umgeschlagen war. Aber man konnte längst nicht mehr darüber hinweggehen, daß die Kriminalität in Schweden blühte wie nie zuvor. Menschen, die Wirtschaftskriminalität auf hohem Niveau betrieben, lebten in einem nahezu geschützten Raum. Hier schien der Rechtsstaat vollkommen kapituliert zu haben.
    |35| Wallander diskutierte diese Probleme häufig mit seinen Kollegen. Er spürte, wie groß die Sorge angesichts dieser Entwicklung in der Bevölkerung war. Gertrud sprach davon. Die Nachbarn in der Waschküche redeten darüber.
    Und ihre Sorge war berechtigt. Doch Wallander sah keinerlei Anzeichen für energische Gegenmaßnahmen. Vielmehr wurden die Polizei und der Rechtsapparat abgerüstet.
    Er zog seine Jacke aus, öffnete das Fenster und betrachtete den alten Wasserturm.
    In den letzten Jahren waren in Schweden private Schutzgruppen entstanden. Die Bürgerwehren. Wallander hatte lange schon eine solche Entwicklung befürchtet. Wenn der staatliche Rechtsapparat nicht mehr funktionierte, lauerte stets die Gefahr der Lynchjustiz. Die Menschen begannen, es als natürlich anzusehen, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen.
    Während er dort am Fenster stand, fragte er sich, wie viele illegale Waffen wohl in der schwedischen Gesellschaft im Umlauf waren. Und wie viele es in einigen Jahren sein würden.
    Er setzte sich an den Schreibtisch. Blätterte ein paar Rundschreiben vom Vortag durch. Das eine handelte
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