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Waldstadt

Waldstadt

Titel: Waldstadt
Autoren: B Leix
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er irgendwo Verbandsmaterial gekauft.«
    »Okay, werd ich gleich veranlassen. Für den Hund ist hier übrigens Schluss. Ende der Fährte. Wahrscheinlich hatte der Kerl im Gestrüpp ein Fahrrad deponiert. Reifenspuren von ’nem Auto gibts jedenfalls keine.«
    »Informier unsere sämtlichen Kräfte. Lass Streifen im Wald fahren. Vorerst bleiben noch alle im Einsatz. Ich bin jetzt mit Frau Conradi im Klinikum.«
     
    Erstaunlich wenige Kabel und Schläuche verbanden den Staatsanwalt mit den Überwachungsgeräten der Intensivstation. Verbände an Kopf und Hals zeugten von dem, was vorgefallen war, aber sonst sah es so aus, als würde Conradi friedlich schlafen.
    Der diensthabende Oberarzt strahlte Ruhe aus: »Zuerst hatten wir echte Bedenken, aber die Befunde unserer Computertomographie lassen hoffen, dass es Ihrem Mann bald wieder besser geht.« Sibylle Conradi atmete hörbar auf und auch Lindts beklemmendes Gefühl, das wie ein eiserner Ring seine Brust umspannte, begann sich zu lösen.
    Der Notarzt hatte den Staatsanwalt noch am Tatort sicherheitshalber narkotisiert und über einen Tubus künstlich beatmet. »Diesen Luftschlauch«, erklärte der Intensivmediziner, »konnten wir vor zehn Minuten ziehen. Die Eigenatmung reicht völlig aus.«
    »Und die Verbände?«, fragte Lindt leise.
    »Platzwunde am Hinterkopf, Gehirnerschütterung«, begann der Arzt die Verletzungen aufzuzählen. »Und am Hals eine ringförmige Weichteilverletzung, früher sagte man Fleischwunde dazu. Wir vermuten aber, dass nicht viel gefehlt hat, um den Kehlkopf einzudrücken.«
    Der Kommissar schaute Frau Conradi an: »Tapfer, Ihr kleiner Hund. Wenn der nicht zugeschnappt hätte …«
    Lindt verzog sich diskret nach draußen. Im Stationszimmer gab er der leitenden Schwester seine Karte. »Falls er aufwacht und irgendwas sagt – rufen Sie mich bitte sofort an, und wenn es um halb vier heute Nacht ist. Darf ich?« Er nahm einen Leuchtstift vom Schreibtisch und markierte die Handynummer extra dick.
     
    Die Wunde an seinem Oberschenkel schmerzte mehr und mehr. In dem verlassenen Pennerlager mitten im dichten Unterholz streckte er sich auf einem verdreckten Schlafsack aus, den einer der Obdachlosen hier zurückgelassen hatte. Schon vor Wochen war ihm dieser Platz aufgefallen und immer wieder hatte er seine Joggingrunden unterbrochen, um durch den Jungwuchs zu kriechen und hier hereinzuschauen. Eine halbmetertiefe Grube, gut drei Meter im Durchmesser, kuppelförmig abgedeckt mit hochgestellten Ästen, alten Latten und brüchigen Kanthölzern, hoch genug, um hineinzukriechen und darin zu liegen oder gebeugt zu sitzen. Gegen Regen schützten einige Fetzen halbverrotteter LKW-Planen.
    Es war schon fast dunkel gewesen, doch mit der abnehmbaren LED-Leuchte seines Bikes hatte er den Durchschlupf zum Lager trotzdem sicher gefunden. Nach Hause konnte er nicht, noch nicht. Am besten, wenn wieder viele unterwegs sind.
    Die Blutung stand zwar, aber dieser flinke kleine Mistköter hatte seine spitzen Zähne tief in den Muskel geschlagen. Echt verkalkuliert, ärgerte er sich. Anscheinend sind nicht alle Hunde so feige wie der schwarze vor ein paar Tagen.
    Noch viel schlimmer war für ihn aber, dass er zum ersten Mal sein Ziel nicht erreicht hatte. Seine sechste Tat hätte eigentlich alle vorherigen übertrumpfen müssen, in den Schatten stellen, blass aussehen lassen.
    Dieser kleine Wichtigtuer von Staatsanwalt, der sich schon nach der ersten Tat gemeinsam mit dem dicken Kommissar im Fernsehen zeigte, dieser schmierig grinsende, völlig unbedeutende Rechtsverdreher, der allabendlich im Wald mit seinem kleinen weißen Hündchen spielte – ach was, das war eine größere Ratte, gar kein Hund – dem hätte er wirklich zu gerne das Lebenslicht ausgeblasen.
    Schon seit Tagen hatte er sich ausgemalt, wie die Presse darüber schreiben, was die Radiokommentatoren zu den Misserfolgen der Polizei über den Sender jagen und wie eine Herde von Kameraleuten den Tatort filmen würde. Ja, dieser Platz, er fand ihn schlichtweg genial. Diesmal nicht im Wald oder im Schutz der Dunkelheit, sondern mitten in der Waldstadt, wollte er hinter der noblen Mauer lauern, ihn direkt von seinem Abendspaziergang einfach so wegpflücken, hineinzerren in das dicht bewachsene Grundstück und mit aller Kraft an der Schlinge ziehen, bis auch die letzten Zuckungen aufhörten.
    Er drehte sein Bein etwas zur Seite – aaah, wie schmerzhaft doch Hundebisse sein konnten – und zog die aufgerollte
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