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Wald der Masken

Wald der Masken

Titel: Wald der Masken
Autoren: Horst Hoffmann
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rasch einen Weg. Roar schlug mit seinem Kampfhammer große Stücke aus dem Holz des verschlossenen Tores.
    Dann standen sie im Innenhof. Die halb verfallene Ringmauer umschloß nur ein einziges kleines Wohnhaus, zu dessen Eingang zwei Treppchen hinaufführten. In der Mitte des Hofes stand ein Brunnen. In die Mauern des Palas und der Türmchen waren Ornamente gearbeitet. Unter den Dachresten liefen Regenrinnen aus Silber. Überall schienen die steinernen Köpfe von edlen Aegyr die Eindringlinge aus den Buckelquadersteinen heraus anzustarren.
    Ilfa lief es kalt über den Rücken. Als sich auch weiterhin nichts rührte, ging sie eines der Treppchen hinauf. Roar mußte wieder zuschlagen, als sie den Eingang ebenfalls von innen verriegelt fand.
    Die Halle war nicht sonderlich groß, doch es verschlug Ilfa den Atem, die kostbar verzierte Holzdecke zu sehen, die noch keine Spur von Verwitterung zeigte. Die bemalten oder mit wertvollen Teppichen behangenen Wände, der Boden aus weißem Marmor, die kunstvoll gearbeiteten Tische und Stühle aus Gold, Ebenholz und Edelsteinen, die juwelenbestückten, goldenen Leuchter. Allein was sich hier fand, war mehr, als Courmins zehn Abenteurer hätten schleppen können, wären sie noch am Leben.
    »Welcher reiche Aegyr mag dieses Schlößchen mit seiner Familie einmal bewohnt haben?« fragte Gorbel, andächtig. »Und wohin sind sie gegangen? Den Weg aller Aegyr? Sicher waren es keine Krieger.«
    Daß es sich um eine biedere Familie gehandelt hatte, bezweifelte Ilfa beim Anblick der Bilder, die auf einem Podest hinter einem kleinen Thron aufgehängt waren. Sie zeigten ganz eindeutig eine sehr bestimmte Art von Frauen.
    »Mythor?« rief sie.
    Ihre Stimme wurde dutzendfach zurückgeworfen. Das Echo schien nicht mehr aufhören zu wollen, und mit jedem Flüstern wurde es schwermütiger.
    »Gehen wir wieder«, sagte Gorbel. »Er ist nicht hier, und wer weiß, welchen Zauber die Aegyr für einen Unvorsichtigen hinterlassen haben.«
    Ilfa war unsicher. Natürlich hätte sie früher wissen müssen, daß Mythor nicht hiergewesen war. Sonst wären das Tor und der Eingang nicht versiegelt gewesen.
    Aber konnte er nicht über die Mauern gekommen sein? Durch ein Fenster eingedrungen?
    »Wartet hier«, befahl sie Roar und den Baummenschen. »Bleibt zusammen. Ich muß mir Gewißheit verschaffen.«
    Sie achtete nicht auf die Warnungen der anderen und ging durch einen niedrigen Türbogen in eines der Türmchen. Eine Wendeltreppe brachte sie ins nächste Stockwerk hinauf. Sie fand sich auf einem schmalen Gang wieder, zu dessen Seiten sich geschlossene Türen befanden.
    »Mythor?«
    Aus jedem Raum schien es ihr zu antworten: »Ja, hier bin ich, Ilfa.«
    Den Griff ihres Schwertes fest umschlossen, öffnete sie die Türen eine nach der anderen. Alle Kemenaten waren so, als hätten ihre Bewohner sie eben erst verlassen. Wer immer das Schlößchen teilweise zerstört hatte – eine starke Magie mußte ihn davon abgehalten haben, sein Inneres zu plündern oder zu verwüsten.
    Ilfa und die drei Begleiter schienen überhaupt die allerersten zu sein, die ihren Fuß wieder hier hineingesetzt hatten. War die Magie also erloschen?
    Und Mythor?
    Abermals rief sie seinen Namen, und abermals antwortete es ihr. Sie glaubte, die Stimmen von hinter der nächsten Tür zu hören, stieß sie auf und sah in die Augenschlitze von zwei Totenmasken.
    Sie unterdrückte den Aufschrei. Beide Masken bedeckten die Gesichter von Statuen, die mitten im Raum standen. Eine zeigte den Körper und das Antlitz eines Aegyr-Ritters im besten Kriegeralter. Die zweite aber mußte von einem unsagbar schönen Jüngling angefertigt worden sein. Sie schlug das Mädchen sofort in ihren Bann. Ihr Blick wanderte langsam von den Füßen bis zu der Gesichtsmaske des Jünglings hoch, und ohne daß sie es merkte, war sie bis dicht an die Statue herangetreten.
    Sie streckte die linke Hand aus und hatte beim Betasten der Gestalt das Gefühl, sie müßte warm sein und sich jeden Augenblick zu bewegen anfangen.
    Das Gesicht auf der emaillenen Maske war wie das eines Engels, und die Stimme in Ilfas Geist wie Musik:
    »Nimm mich an dich«, flüsterte sie. »Doch habe acht vor den anderen neun Masken in diesem Schloß. Wenn du es möchtest, so nimm mich.«
    Sie tat es. Die Emailmaske ließ sich ganz leicht vom Kopf der Statue lösen. Ilfa wußte nicht, was sie tat. Bevor sie sich besann, hatte sie die Maske in ein Tuch eingewickelt, das auf einem Tischchen gelegen
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