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Wainwood House - Rachels Geheimnis

Wainwood House - Rachels Geheimnis

Titel: Wainwood House - Rachels Geheimnis
Autoren: Sarah Stoffers
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Blick ruhte unverwandt auf den endlosen Reihen ägyptischer Hieroglyphen, als könnten sie zwanzig Jahre zu spät die Entscheidung rechtfertigen, die er getroffen hatte, als er getreu seinen Befehlen in Alexandria an Bord eines Schiffes gegangen war, während seine Herrin in Kairo ermordet wurde. »Ich habe es all die Jahre über sicher verwahrt. Erst in meinem Koffer unter dem Bett, später, als ich Butler wurde, im Weinkeller, zu dem ich als Einziger die Schlüssel habe.«
    Inzwischen war Julians Blick an dem ledernen Köcher hängen geblieben. Er nahm ihn zur Hand und fuhr mit dem Daumennagel an den Nähten entlang. »Haben Sie das Buch in diesem Behälter erhalten?«, fragte er.
    Der Butler bestätigte dies.
    »Was haben Sie jetzt vor?«
    Julian ließ sich von der Dienstmagd ein Messer geben. Während er sich über den ledernen Köcher beugte, erläuterte er dem Butler seinen Plan. Er glänzte nicht durch Raffinesse oder Scharfsinn und wies ein erhebliches Risiko auf, doch es blieb ihnen keine Zeit mehr, und im Umkreis von mehreren Meilen gab es nur Bauernhöfe, Wiesen und Felder. Alles musste nun darauf hinauslaufen, die Entführer lange genug hinzuhalten, ohne dass es Tote geben würde. Während Julian mit Mr Frost letzte Absprachen traf, ging Samuel hinaus. Er schickte das verwirrte Küchenmädchen los, um die Gärtner aus den Betten zu holen, und ging selbst die Stallburschen wecken. Als Julian ihm endlich folgte, stand bereits ein gesatteltes Pferd auf dem Hof. Samuel kam auch jetzt nicht umhin, mit einem Kennerblick festzustellen, dass der junge Herr kaum passend für einen Ausritt gekleidet war. Er trug noch immer seinen Ausgehmantel, als er sich in den Sattel schwang. Der Stoff der Hose würde nach dem Ritt ruiniert sein. Außerdem trug er keine Handschuhe. Doch all das würde bedeutungslos sein, solange er nur am Ende lebend nach Wainwood zurückkehrte.
    In dem allgemeinen Durcheinander, das hinter ihm im Stall herrschte, bemerkte Samuel Mr Frost erst, als der Butler sich leise räusperte. Ein Geräusch, als würde ein trockener Bogen Papier zu einem Ball zerknüllt werden. Als Sam sich zu seinem Vorgesetzten umdrehte, trug Frost wieder seinen makellosen Anzug. Die scharfen Falten in seinem Gesicht waren um keinen Deut verrutscht, allein die hellblauen Augen waren unverwandt auf seinen zweiten Hausdiener gerichtet. Eröffnungen oder höfliches Geplauder lagen nicht in seiner Natur, also ging er auch jetzt gewohnt sparsam mit seinen Worten um. »Als ich einen Kammerdiener für Mr Rushforth aussuchen musste, gab es Gründe, warum ich August übergangen und stattdessen Ihnen diese zusätzlichen Pflichten aufgetragen habe«, stellte Frost sachlich fest. Und als sei damit bereits alles zum Ausdruck gebracht, ergänzte er: »Sie sollten es dem jungen Herrn sagen. Es wäre eine enorme Erleichterung.«
    Samuel nickte gehorsam mit dem unbestimmten Gefühl, dass die entglittene Silberschüssel mitten im Sturz von dem Butler aufgefangen und zurück auf die Anrichte gestellt worden war, als sei nie etwas geschehen, das ihren Glanz hätte trüben können. Offenbar war für Mr Frost die Angelegenheit damit erledigt, denn er kehrte in den Stall zurück, um die Burschen mit präzisen Befehlen zur Ordnung zu rufen.
    Samuel blieb im ersten zarten Licht des nahen Tages auf dem Hof stehen. Julian zügelte seine Fuchsstute neben ihm. »Es ist alles vorbereitet«, sagte er, als hätte Sam dieses Detail entgehen können. »Am besten bleiben Sie bei den anderen. Mr Frost hat die Schlüssel und er kennt den Weg.«
    Keiner von beiden wollte sich verabschieden, gerade weil sie nicht wussten, ob ihr Plan aufgehen oder ob am Ende einer von ihnen sterben würde. Julians Gesicht sah unsagbar jung und verletzlich aus, ängstlich und entschlossen zugleich. Samuel kam der Gedanke, dass er eines Tages womöglich doch Offizier werden würde, weil er so verantwortungsvoll war, auch dann, wenn er sich fürchtete.
    »Mr Frost braucht mich hier nicht«, stellte Samuel sanft fest. Er zog den Steigbügel von Julians Schuh und benutzte ihn, um unaufgefordert hinter dem jungen Mann auf das Pferd zu steigen. »Ich kann ein Stück mitkommen. Wenigstens bis zum Friedhof.« Sie hatten bereits in London verabredet, dass die Entführer nicht mehr als einen oder zwei von ihnen auf dem Friedhof zu Gesicht bekommen sollten, um Janes Leben nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Um auf dem glatten Pferderücken Halt zu finden, schlang Samuel von hinten einen
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