Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wahnsinn

Titel: Wahnsinn
Autoren: Jack Ketchum
Vom Netzwerk:
nicht aufpasste, wo er hinlief, auch gegen die Möbel, aber er stotterte nicht mehr, wofür sie dankbar war, weil ihr das Stottern, ehrlich gesagt, immer schon peinlich gewesen war. Er war gut in der Schule. Fleißig und folgsam.
    Er war ein guter Junge.
    Genauso wie Arthur.
    Jedenfalls die meiste Zeit.
    Das einzige Problem, das sie mit Robert hatte – das aber nicht mehr so oft vorkam, auch wenn einmal im Monat in ihrem Alter weiß Gott reichte, um ihr den letzten Nerv zu rauben –, das einzige Problem war, dass er nachts ins Bett machte. Sie wachte dann morgens oder manchmal auch mitten in der Nacht von einem grässlichen Gestank auf. Und entdeckte dann, wie der Junge in seiner eigenen Kacke schlief oder die Bettwäsche abzog oder einfach mit traurigem, schuldbewusstem Gesicht dasaß.
    Wenn es passierte, musste er seine Bettwäsche selbst waschen. Sie legte deshalb immer eine Plastikmatte zum Schutz der Matratze in sein Bett. Aber sie kaufte ihm nie Windeln. Sie würde doch für einen Neunjährigen kein Geld für Windeln ausgeben.
    Irgendwie musste sie ihm das abgewöhnen.
    Und zwar bald.
    Sie konnte diesen gottverdammten Gestank nicht länger ertragen.
    Es war nicht richtig.
    Es war nicht hygienisch.
    Und es war völlig unnötig.
    Er war viel zu alt, um ihn noch auf die althergebrachte Weise zu erziehen.
    Sie musste sich etwas anderes ausdenken.
    Natürlich gab es da noch die Methode, die bei Arthur immer funktioniert hatte, die geholfen hatte, ihn wieder zur Vernunft zu bringen, wenn er mal nicht spuren wollte – was selten genug vorgekommen war. Aber die Zeiten hatten sich geändert, seit Arthur ein Junge gewesen war, und die Leute waren heutzutage viel neugieriger. Seine Lehrer beispielsweise. Dann gab es noch die Schulpsychologen, die ihre Nase in alles steckten, und selbst die Eltern anderer Kinder konnten sich ihre Neugier meistens nicht verkneifen. Sie hatte diese Geschichten gehört. Von Leuten, denen das verdammte Jugendamt die Kinder weggenommen hatte. Sie musste also vorsichtig sein.
    Sie musste ihn dort benutzen, wo man nichts sehen konnte.
    Es war ein dünner, abgeschälter Stock aus Birkenholz.
    Bei Arthur hatte er immer sehr gut funktioniert.
    In der Dunkelheit seines Kinderzimmers war sie später immer zu ihm gegangen, hatte ihn an ihren Busen gedrückt und gespürt, wie seine süßen, heißen Tränen ihr Hauskleid durchnässten, dann hatte sie ihn in ihren Armen gewiegt und ihm gesagt, dass jetzt alles wieder gut sei, dass es nun vorbei sei, dass er ihr Junge sei, ihr braver Junge, ihr einziges Kind und die Liebe ihres Lebens, bis in alle Ewigkeit, ganz gleich, was der gute, alte Harry davon halten mochte, ganz gleich, was sonstwer davon halten mochte, weil keiner auf der ganzen Welt ihr so viel bedeutete wie er – sie gehörten auf ewig zusammen, im Angesicht Gottes, und dann streichelte, streichelte, streichelte sie ihn ohne Unterlass.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher