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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer
Autoren: Friedrich Glauser
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Aufwallung. Der Blick Studers hatte etwas so Erwartungsvoll-Ängstliches… Darum sagte er ziemlich versöhnlich: »Nun, wie gewohnt, denk ich. Die Familie Witschi vorladen, den Meister des… des… Angeklagten…«
    »Schlumpf Erwin«, unterbrach Studer, »vorbestraft wegen Einbruch, Diebstahl und anderer kleinerer Delikte…«
    »Ganz richtig. Im Grunde also eine Persönlichkeit, der man das Verbrechen gut zutrauen könnte, nicht wahr?«
    »Schon… möglich…« Pause. »Aber auch ein Vorbestrafter kann nicht zaubern… Und der Schlumpf wird nicht das Maul auftun… Sie werden lange fragen können. Der läßt sich lebenslänglich nach Thorberg schicken– und wenn er einmal dort ist, hängt er sich wieder auf. Im Grund ist es schad' um den Burschen… ja, es ist schad' um ihn…«
    »Ihre Menschlichkeit in Ehren, Herr Studer, aber… Wir haben eine Untersuchung zu führen, oder?«
    »Ja, ja… übrigens ist die Leiche noch in Gerzenstein?«
    Wieder blätterte der Untersuchungsrichter in den Akten.
    »Sie ist am Mittwochabend ins Gerichtsmedizinische Institut überführt worden. Der Regierungsstatthalter von Roggwil hat das angeordnet…«
    Studer zählte an den Fingern ab:
    »Am Mittwoch, dem dritten Mai um halb acht Uhr morgens wird die Leiche gefunden. Gegen Mittag die erste Obduktion von Doktor… Doktor… Wie heißt er schon?«
    »Dr. Neuenschwander«
    »Neuenschwander. Gut. Mittwochabend wechselt Schlumpf die Hunderternote im ›Bären‹. Donnerstag
    Flucht. Heute, Freitag, verhafte ich ihn bei seiner Mutter. Wann ist die Leiche ins Gerichtsmedizinische Institut gebracht worden?«
    »Mittwochabend…«
    »Wann glauben Sie, können wir den Rapport vom Institut haben?«
    »Ich habe gedacht, wir könnten den Angeklagten mit der Leiche konfrontieren. Was meinen Sie dazu?« Die Frage war höflich, aber der Untersuchungsrichter dachte dabei: Wenn der Kerl nur bald abschieben würde, die Brissago stinkt, er ist aufdringlich, ich werde mich bei der Behörde beschweren, aber was nützt mir das? Deswegen werd' ich ihn doch nicht so bald los. Also seien wir freundlich…
    »Konfrontieren?« wiederholte Studer. »Damit er wieder einen Fluchtversuch macht?«
    »Was? Er hat Ihnen durchbrennen wollen? Und Sie haben mir nichts davon gesagt?«
    Studer sah den Untersuchungsrichter mit seinen ruhigen Augen an. Er zuckte die Achseln. Was sollte man auf solche Fragen antworten?
    »Ich will ganz offen mit Ihnen sein, Herr Untersuchungsrichter«, sagte Studer plötzlich, und seine Stimme klang merkwürdig dumpf und erregt. »Wir haben lange genug herumgeredet. Sie denken bei sich: Dieser alte, abgesägte Fahnder, der knapp vor der Pensionierung steht, will sich wichtig machen. Er drängt sich auf. Ich werd ihm aber schon aufs Dach geben lassen. Heut am Abend noch, sobald er fort ist, telephoniere ich an die Polizeidirektion und beschwere mich…«
    Schweigen. Der Untersuchungsrichter hatte einen Bleistift in der Hand und zeichnete Kreise aufs Löschblatt. Studer stand auf, packte die Lehne des Stuhles, schwang den Stuhl herum, bis er vor ihm stand, stützte sich auf die Lehne – und die Brissago qualmte, die zwischen zwei Fingern stak – und dann sagte er:
    »Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Untersuchungsrichter. Ich reiche gern meine Demission ein, wenn der Fall nicht so untersucht wird, wie ich es wünsche. Aber wenn ich dann demissioniert habe, dann kann ich machen, was ich will. Es wird lustig werden. Ich hab' dem Schlumpf versprochen, seine Sache in die Hand zu nehmen…«
    »Sind Sie Fürsprech geworden, Wachtmeister?« warf der Untersuchungsrichter spöttisch ein.
    »Nein. Aber ich kann ja einen nehmen. Einen, der die ganze Anklage über den Haufen wirft – während der Schwurgerichtsverhandlung. Wenn Sie das lieber wollen? Aber Sie müssen sich das recht lebhaft vorstellen! Sie werden als Zeuge von der Verteidigung vorgeladen werden, und dann wird man Ihnen alle Fehler der Voruntersuchung vorhalten… Wird Ihnen das gefallen?«
    Der Kerl ist ja ganz verrückt! dachte der Untersuchungsrichter. Der richtige Querulant! Warum hat man gerade diesen Studer zur Verhaftung abkommandiert! Ein Gerechtigkeitsfanatiker! Daß es so etwas noch gibt! Ich habe die ganze Zeit eingelenkt… Kann der Mann denn Gedanken lesen? Dumme Geschichte! Und wenn dieser Schlumpf unschuldig ist, dann gibt es womöglich einen Skandal, Leute geraten in Verdacht. Es wird doch besser sein, ich arbeite mit dem Kerl… Laut sagte er:
    »Das hat ja alles
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