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Wach auf, wenn du dich traust

Wach auf, wenn du dich traust

Titel: Wach auf, wenn du dich traust
Autoren: Angela Mohr
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dass es so nicht geht. Und dass er hoffte, dass du nun Ruhe geben würdest.
    Im Nachhinein war ja klar, dass er wollte, dass du es abkriegst. Am besten von den anderen ’ne Lektion erteilt kriegst. Aber ich dachte eine ganze Zeit noch, es reicht ihm, dass alle sauer auf dich sind, weil sie glauben, du seiest schuld an der Wanderung. Daran, dass ihnen die Beine wehtun und sie fix und alle sind. Ich wusste nicht, dass Markus extra noch mal zu Frederik gesagt hat, dass sie dich ruhigstellen sollen.
    Ich war zwar völlig verpennt, als die Mädels mich geweckt haben, aber ich glaube, ich hab Greta sofort angeschrien, dass sie dich umbringen würde, wenn sie zu diesem Arschloch rennt, das doch bloß andere für sich die Drecksarbeit machen lässt! Sie ist fast zusammengeklappt. War kurz vorm Heulen und hat mich angeguckt, als hätte ich sie geschlagen. Als ob ich was dafürkönnte, wenn nicht der fiese Jugendliche von nebenan die Drecksau ist, sondern der angehimmelte Jugendleiter, den alle so toll finden, weil er ihnen das Gefühl gibt, was Besonderes zu sein?
    Fast hätte ich sie angebrüllt, dass ich die Welt nicht so gemacht habe, wie sie ist, aber ich konnte es mir dann doch verkneifen. Ich hab dann Miro geweckt. Er war schließlich der Einzige, mit dem ich ab und zu mal geredet habe. Abgesehen von Sebastian. Miro hat sich gleich angezogen. Und weil Sebastian neben ihm lag, wurde der dann wach. Sebastian wollte sich erst wieder umdrehen, sogar nachdem Miro ihm zugeflüstert hatte, dass sie dich in den Wald geschleppt haben. Ich hab dann gesagt: Sie hätte dich vielleicht besser ersaufen lassen. Da hat er sich wortlos angezogen und ist mitgekommen.
    Wir sind zu fünft los. Die Mädchen hatten Taschenlampen dabei. Wir hatten ja keinen Schimmer, was uns erwartet. Ich glaube, wir hatten noch nicht mal einen Schimmer, was wir eigentlich vorhatten. Miro ist neben mir hergelaufen wie immer, er hat sogar noch Witze gemacht. Ich glaube, für ihn ist das Leben so eine Art Abenteuer. Und ob es darum geht, ein paar Gramm Shit an den Bullen vorbeizuschleusen oder ein Mädchen im Wald aus den Griffeln von ein paar abgedrehten Schlägern zu befreien, spielt für ihn keine große Rolle.
    Aber irgendwann wurde sogar Miro still. Wir wussten ja nicht, wohin sie dich gebracht hatten. Es war echt stockfinster im Wald, selbst mit den Taschenlampen. Und dann haben wir deinen leeren Schlafsack gefunden. Das war wie in einem Horrorfilm, wir wussten ja auch nicht, ob die anderen uns vielleicht auflauerten.
    Allzu weit konntet ihr aber nicht gekommen sein, das war uns klar. Bei der Dunkelheit hätte es ja sogar gereicht, einfach hundert Meter neben das Zelt zu gehen, um völlig ab zu sein vom Schuss.
    Aber die waren ganz schön weit reingegangen.
    Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sie dich dazu gebracht haben, so tief in den Wald mitzugehen. Oder hast du gedacht, es würde nichts passieren? Haben sie dir irgendwas erzählt, damit du mitkommst? Kann ich mir kaum vorstellen. So naiv bist du doch nicht.
    Finn blieb stehen. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er schon wieder im Kreis gelaufen war. Wie ein Tier in einem zu engen Käfig kam er sich vor.
    Die Sonne schien durchs Fenster. Er hatte nur ein T-Shirt an und spürte, wie angenehm sich die Wärme auf seiner Haut anfühlte.
    Er kniff sich in den Arm, um das Gefühl zu vertreiben. Jenny lag im Koma und er freute sich darüber, dass es warm war!
    Wenn er sich jemals wieder über irgendetwas freuen würde, könnte er es sich nicht verzeihen.
    Er war ein Idiot gewesen. Ein Idiot, der geglaubt hatte, irgendwann aus der Klasse der Idioten aufzusteigen. Irgendwo anders hin, wo es besser war. Wo es mehr gab als nur die Scheiße, die er sein Leben lang kannte. Aber das gab es nicht. Idiot blieb Idiot, da gab es nichts zu rütteln. Man konnte nicht einfach aus dem eigenen Leben aussteigen. Das war nicht vorgesehen.
    Er brachte keinen Ton mehr heraus und krallte sich mit zitternden Fingern in der Lehne des Besucherstuhls fest, hinter dem er stand.
    Mit ihr sprechen, dachte er, und hätte beinahe gelacht.
    Und wenn sie dann erst recht stirbt? Wenn ich sie allein durch meine Anwesenheit töte, durch das, was ich ihr erzählen muss? Vielleicht will sie dann ja nie wieder zurück?
    Finn ging auf das Fenster zu, brachte etwas Abstand zwischen sich und Jennys geschundenen Körper. Vielleicht hätte er sich doch aus der Cafeteria etwas zu trinken holen sollen. Seine Kehle war völlig ausgetrocknet. Er
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