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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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einen Kratzer abbekommen.
    «Geben Sie mir Ihre Telefonnummer», verlangte die Frau. «Idioten wie Sie sollte man gar nicht auf die Straße lassen. Stellen
     Sie sich mal vor, ich hätte ein Kind dabeigehabt.»
    «Das hätte Ihnen vielleicht gesagt, dass man nicht bei Rot über eine Ampel fährt!»
    «Na schön!» Sie drehte sich plötzlich zu den Leuten um, die auf dem Bürgersteig vorbeigingen. «Entschuldigen Sie, hat jemand
     von Ihnen gesehen, wie mir dieser Mann reingefahren ist?» Ein paar Passanten starrten herüber. Ein oder zwei Leute wurden
     langsamer, aber keiner blieb stehen. Meine Wangen glühten. Sie wandte sich an einen älteren Mann, der langsamer als die
     anderen geworden war. «Haben Sie gesehen, was passiert ist? Dieser Mann ist einfach bei Rot über die Ampel gefahren und hat
     mich gerammt. Ich brauche einen Zeugen.»
    «Ich habe nur gesehen, wie Sie angehalten haben. Dass er Sie gerammt hat, habe ich nicht gesehen.»
    Es war lächerlich. «Ich habe sie nicht gerammt! Sie hat mich gerammt!» Ich schaute mich nach eigenen Zeugen um. |43| Der Verkehr strömte zügig vorbei. Die Autos, die hinter mir gewesen waren, waren weg.
    «Aber haben Sie denn nicht gesehen, was passiert ist?», fuhr die Frau unbeirrt fort. Der Mann war stehen geblieben. Er schüttelte
     unschlüssig den Kopf. Andere Passanten gingen mit neugierigen Blicken vorbei.
    «Er hat bereits gesagt, dass er nichts gesehen hat», sagte ich.
    «Ich rede nicht mit Ihnen, ich rede mit ihm. Haben Sie gesehen, wie er bei Rot über die Kreuzung gefahren ist? Sie müssen
     es gesehen haben, wenn Sie vorbeigegangen sind.»
    Der Mann schüttelte den Kopf und schlich sie schon langsam davon. «Nein, nein. Tut mir leid.»
    «Warten Sie», rief die Frau hinter ihm her, aber er hatte seinen Schritt beschleunigt und schüttelte nur noch einmal mit
     dem Kopf, um sich aus der Affäre zu ziehen. «Oh, verdammt, das ist typisch!» Sie wandte sich wieder an mich. «Na schön,
     geben Sie mir den Namen Ihrer Versicherung. Ich werde mich hier nicht mit Ihnen herumstreiten. Und ich brauche Ihren Namen
     und Ihre Adresse. Sollen die Versicherungen die Sache klären.»
    Sie stürmte zu ihrem Wagen zurück und wühlte im Handschuhfach herum. «Hier.» Sie kritzelte ihre Angaben auf ein Stück Papier
     und reichte es mir. Ich tat das Gleiche. «Ich hoffe nur, Sie haben letztlich doch genug Anstand und geben zu, dass es Ihr
     Fehler war.»
    «Das Gleiche könnte ich   …», begann ich, aber sie hörte nicht zu. Der Zettel wurde mir aus der Hand gerissen.
    «Und zu allem Überfluss komme ich jetzt auch noch zu spät», blaffte sie, stieg wieder in ihren Wagen und knallte |44| die Tür zu. Ich trat einen Schritt zurück, als sie eilig auf die Straße scherte und einen anderen Wagen zum Abbremsen zwang.
     Sie ignorierte sein zorniges Gehupe und war in Sekunden im dichten Verkehr verschwunden.
    Ich ging zurück, um den Schaden an meinem Wagen zu untersuchen. Selbst mir war klar, dass er nicht mehr fahrtüchtig war.
     Schäumend vor Wut klemmte ich eine Nachricht für die Polizei an die Windschutzscheibe und rief meine Werkstatt an, damit
     der Wagen abgeschleppt wurde. Dann stellte ich mich an die Bordsteinkante, um ein Taxi anzuhalten.
    Typischerweise waren die einzigen, die ich sah, besetzt. Ich wartete zehn Minuten, in denen sich meine Laune mit jeder
     Sekunde verschlechterte, bis ich schließlich frustriert aufgab. Ein Hinweisschild zeigte mir den Weg zur nächsten U-Bahn -Station.
    Ich war seit Jahren nicht mehr mit der U-Bahn gefahren. Ich erinnerte mich, dass sie immer voll war, doch auf das Chaos, das mich am Fuße der Rolltreppe erwartete,
     war ich nicht vorbereitet. Als ich versuchte, mich zu orientieren, wurde ich von hinten geschubst und von vorne angerempelt.
     Jeder außer mir schien sich auszukennen. Ich schaute mich nach jemandem um, den ich fragen könnte, sah aber nur die zahllosen,
     dahineilenden Köpfe der anderen Pendler. Während ich unschlüssig dastand, teilte sich die Menge und strömte an mir vorbei.
     An der Wand erkannte ich einen Plan und kämpfte mich dorthin vor, nur um ihm schließlich zu entnehmen, dass ich eine andere
     Linie nehmen musste. Ich schloss mich dem Strom der Leute an, die in diese Richtung unterwegs waren, und ließ mich durch
     einen gefliesten, hallenden Tunnel treiben, bis ich mich plötzlich auf einem Bahnsteig befand.
    |45| Verglichen mit dem Tunnel, war er relativ leer. Aber schnell begann sich die

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