Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Charles Wilson
Vom Netzwerk:
wieder erholt. Eigentlich leben wir immer noch im Kriegszustand.«
    Wie zur Bestätigung legte sich die Flugmaschine in eine scharfe Kurve, und Treya warf einen nervösen Blick durch das Kabinenfenster. Ein weißer Blitz löschte die Sterne aus und beleuchtete die rollenden Wogen tief unten. Ich setzte mich auf, um besser sehen zu können, und meinte am Horizont etwas auszumachen, als das grelle Licht verblasste – etwas wie einen fernen Kontinent oder (weil es nahezu eben war) ein riesiges Schiff. Dann wurde es von Dunkelheit verschluckt.
    »Liegen bleiben!« Die Flugmaschine schlug jetzt einen regelrechten Haken, und Treya duckte sich in eine Sitzschale, die Bestandteil der gegenüberliegenden Wand war. Wieder Lichtblitze hinter dem Fenster. »Wir sind außer Reichweite ihrer Wasserfahrzeuge, aber ihre Flugmaschinen … Weißt du, es hat einige Zeit gedauert, bis wir dich gefunden haben. Die anderen müssten inzwischen in Sicherheit sein. Die Kabine wird dich schützen, falls das Schiff beschädigt wird, aber du musst dich hinlegen …«
    Es geschah, kaum dass die Worte aus ihrem Mund waren.
    Wie ich später erfuhr, hatte unsere Formation aus fünf Fluggeräten bestanden. Wir hatten die äquatorianische Wüste als Letzte verlassen, und der Angriff kam früher und entschlossener als erwartet: Die vier Begleitmaschinen, die uns eskortierten, stürzten ab, und danach waren wir wehrlos.
    Ich weiß noch, dass Treya nach meiner Hand griff. Ich wollte sie fragen, was das für ein Krieg war. Ich wollte sie fragen, wer »die anderen« waren. Aber dazu blieb keine Zeit. Ihr Griff war wie ein Schraubstock, und ihre Haut war kalt. Dann erinnere ich mich nur noch an jähe Hitze und ein blendendes Licht – und daran, dass wir fielen.
    4.
    Eine Kombination aus programmierten Rettungsmanövern und schierem Glück trug unser Stück des zerborstenen Fluggeräts bis zur nächstgelegenen Insel von Vox.
    Vox war ein Wasserfahrzeug, im weitesten Sinne ein Schiff , aber Vox war weit mehr als ein Schiff. Vox war ein Archipel aus schwimmenden Inseln, viel, viel größer als alles, was zu meinen Lebzeiten jemals in See gestochen war. Vox war eine Kultur und eine Nation, eine Historie und eine Religion. Seit fünfhundert Jahren befuhr das Archipel die Meere des Weltenrings – so nannte Treya die Planeten, die durch die Torbögen der Hypothetischen miteinander verbunden waren. Die Feinde des Weltenrings seien stark, erklärte sie, und sie seien ganz in der Nähe. Äquatoria war nahezu entvölkert, aber ein »Bündnis aus kortikalen Demokratien« hatte schwimmende Verfolger geschickt, die verhindern sollten, dass Vox den Torbogen erreichte, der Äquatoria mit der Erde verband. Treya glaubte nicht, dass es ihnen gelingen würde, doch die jüngste Attacke war verheerend – und unter den Verlusten war unsere Flugmaschine.
    Wir hatten überlebt, weil die Kabine, in der Treya mich betreut hatte, mit raffinierten Überlebensmechanismen ausgestattet war: Aerogele, um uns vor Verletzungen zu bewahren, entfaltbare Tragflächen für den Gleitflug zu einem geeigneten Landeplatz. Wir waren auf einer der äußeren Inseln des Archipels gestrandet, die unbewohnt und weit weg von der zentralen Stadt war, die Treya Vox-Core nannte.
    Vox-Core, die Nabe des Archipels, war das eigentliche Angriffsziel gewesen. Im Morgengrauen konnten wir eine Rauchsäule sehen, die sich am windwärtigen Horizont erhob. »Da«, sagte Treya heiser. »Der Rauch … Er steht über Vox-Core.«
    Wir verließen die schwelende Rettungskapsel, standen im hohen Gras und sahen zu, wie die Sonne über den Horizont kletterte. »Das Netzwerk ist stumm«, sagte Treya. Mir war nicht klar, was das hieß oder woher sie es wusste. Ihr Gesicht war starr vor Traurigkeit. Unsere Flugmaschine musste ins Meer gestürzt sein, und alle an Bord waren tot, nur wir beide nicht. Ich fragte Treya, wieso ausgerechnet wir verschont worden waren.
    »Nicht wir «, erwiderte sie. » Du. Die Maschine hat alles getan, um dich zu retten. Es ging um dich, nicht um mich.«
    »Um mich? Aber wieso?«
    »Wir haben jahrhundertelang auf dich gewartet. Auf dich und die anderen.«
    Ich verstand nicht. Aber sie war benommen und tastete nach ihren Prellungen, also ließ ich sie in Ruhe. Man würde uns zu Hilfe kommen, sagte sie. Ihre Leute würden uns schon finden. Sie würden Luftfahrzeuge ausschicken, auch wenn Vox-Core beschädigt war. Man würde uns schon nicht der Wildnis überlassen.
    Wie sich herausstellen sollte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher