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Von Menschen und Monstern

Von Menschen und Monstern

Titel: Von Menschen und Monstern
Autoren: William Tenn
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Glühlampe verschlucken. Nach wenigen Schritten verbreitert sich die Höhle zu einem riesigen, dunklen Raum. Du gehst geradeaus weiter. Ab und zu siehst du über die Schulter nach dem Licht vom Eingang und überzeugst dich, daß es immer direkt hinter dir liegt. Nun stößt du auf eine andere, niedrige Höhle. Bei der ersten Gabelung biegst du nach rechts. Dann bist du da.«
    »Wo? Wo bin ich dann? Was geschieht dann?« fragte Eric atemlos. »Wie soll ich meinen Raubzug vollbringen? Wo finde ich die dritte Kategorie?«
    Das Weiterreden fiel Thomas dem Fallensprenger schwer. So unglaublich es war – er war nervös! »Du triffst dort einen Ausländer. Dem sagst du deinen Namen. Den Rest besorgt er.«
    Eric blieb wie angewurzelt stehen. »Ein Ausländer?« fragte er fassungslos. »Jemand, der nicht zur Menschheit gehört?«
    Sein Onkel packte ihn beim Arm und zog ihn weiter. »Na ja, du hast doch schon Ausländer gesehen«, sagte er mit lautem Lachen. »Du weißt, daß außer der Menschheit auch noch andere Leute in Höhlen leben, nicht wahr, mein Junge?«
    Natürlich wußte Eric das.
    Seit frühester Kindheit hatte er seinen Onkel und dessen Truppe auf Kriegs- und Handelsexpeditionen in die weiter hinten liegenden Höhlen begleitet. Er wußte, daß die Bewohner dieser Höhlen auf sein Volk hinabblickten, daß sie reicher waren und ein bequemeres und sichereres Leben führten. Trotzdem bedauerte er sie aus ganzem Herzen.
    Letzten Endes waren sie bloß Ausländer. Er aber war ein Angehöriger der Menschheit.
    Es ging gar nicht darum, daß die Menschheit in den vorderen Höhlen, also der unmittelbaren Nachbarschaft der Speisekammer der Bestien lebte. Dieser ungeheure Vorteil wurde, wie er bereitwillig zugab, von den damit verbundenen Gefahren aufgewogen – obwohl eben diese ständige Bedrohung durch tausenderlei Todesgefahren die Menschheit zu dem gemacht hatte, was sie war.
    Die Menschheit war kühn und edel, wenn auch ihre technischen Errungenschaften bescheidener waren als jene der Ausländer. Was tat es, daß sie vor allem die Rohstofflieferanten für die dichter besiedelten Höhlen im Hintergrund waren? Wie lange könnten denn die Waffenschmiede, die Töpfer und Gerber und Künstler mit ihrer lärmenden Geschäftigkeit bestehen, wenn die Menschheit aufhörte, sie mit Lebensmitteln, Stoffen und Metallen zu versorgen, die sie mit unvergleichlicher Tapferkeit und List im gefährlichen Bestienrevier raubte? Nein, nein, die Menschheit war das wackerste, wertvollste Volk aller Höhlen. Aber selbst das war nicht das Entscheidende.
    Der springende Punkt war, daß man sich nicht mehr als unbedingt nötig mit Ausländern abgab. Dafür waren sie eben Ausländer – selbst hingegen war man Menschheit. Also hielt man sich ihnen in stolzer Überlegenheit fern.
    Für Handelsbeziehungen waren sie allerdings nötig. Kalt, argwöhnisch und wachsamen Blickes für den günstigsten Tausch, feilschte man mit ihnen. Zeitweise schlug man sich auch mit ihnen, wenn dabei mehr zu gewinnen war als bei einem simplen Tauschhandel. Und zwischendurch gingen sie dann zu Vergeltungsangriffen über, wenn man selbst arglos in den Höhlen lag.
    Abgesehen von diesen Berührungspunkten jedoch unterhielt die Menschheit zu den Ausländern beinahe so wenige soziale Kontakte wie zu den Bestien. Traf man unterwegs einen einzelnen Ausländer, der nicht im Verband seines Volkes marschierte, dann erschlug man ihn bedenkenlos.
    Aber als Ratgeber für einen Raubzug zog man sie bestimmt nicht heran!
    Eric grübelte noch immer über die Worte seines Onkels nach, als sie das Ziel ihrer Reise erreichten – eine große Höhle ohne Ausgang. In der Rückwand war eine Linie ausgestemmt, die auf dem Boden begann, ungefähre Kopfhöhe eines Menschen erreichte und sich auf der anderen Seite wieder bis zum Boden senkte.
    Der Einstieg ins Bestienrevier.
    Thomas der Fallensprenger blieb horchend stehen. Da sein geübtes Gehör weder in unmittelbarer Umgebung noch jenseits der Pforte verdächtige Geräusche vernahm, drehte er sich um, legte die Hände trichterförmig vor den Mund und stieß leise den Erkennungsruf der Truppe aus. Die restlichen vier Krieger und der Jungkrieger kamen ihm rasch nach und stellten sich zu ihm. Auf ein Signal von ihm hockten sie sich dann neben der Tür hin.
    Zuerst einmal stopften sie sich hastig mit dem Proviant aus ihren Tornistern voll. Dabei huschten die Strahlen ihrer Glühlampen unablässig über die Wände des gewölbten, leeren Laufgangs.
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