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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe
Autoren: Arto Paasilinna
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plante, nach den vor Ort durchgeführten Untersuchungen Kontakt zu Doktor Seppo Sorjonen in Helsinki aufzunehmen, der ein berühmter Orthopäde und ihr Leibarzt war.
    Hermanni drückte der Patientin die Hand und versprach, sie am nächsten Tag zu besuchen. Zielstrebig stiefelte er anschließend ins Restaurant Kultahippu , um sich ein Bier zu genehmigen und nach langer Zeit mal wieder ein Fleischgericht, Rentiergeschnetzeltes, zu essen.
    Von dem Geld, das ihm Lena gegeben hatte, übernachtete er im Hotel. Am nächsten Tag ging er gegen zwölf Uhr ins Gesundheitszentrum, um nach ihr zu sehen. Auf dem Hof vor dem Gebäude standen ein Übertragungswagen des Fernsehens und zahlreiche andere Fahrzeuge. Auch die zerfetzte Gondel samt Skikufen war vom See herbeigeschafft und offenbar den ganzen Morgen fotografiert und gefilmt worden.
    Drinnen drängten sich Journalisten und Fotografen. Die überraschende Kunde von der Rettung Lena Lundmarks, der kühnen Ballonfahrerin, hatte Presseleute in Scharen herbeigelockt. Hermanni konnte sich kaum Platz verschaffen. Lena gab glückliche Statements über ihre wilde und gefährliche Tour ab, berichtete zugleich von der Tätigkeit des Roten Kreuzes und machte sich für den Katastrophenfonds stark.
    Hermanni Heiskari versuchte, zu ihrem Krankenbett vorzudringen, aber man schob ihn beiseite. Einer der Fotografen zischte sogar wütend, dass so ein alter Lappenkerl gefälligst nicht seine stinkende Nase da hineinstecken sollte. Hermanni hatte erst mal genug. Er zog sich zurück und ging in den Ort. Dort kaufte er einen Strauß Nelken und bat, diesen ins Gesundheitszentrum an Frau Lena Lundmark zu schicken. Auf die dazugehörige Karte schrieb er, ein wenig bissig:
    »Das Zugtier wünscht hiermit baldige Genesung.
    Grüße vom fliegenden Gesellen Hermanni Heiskari.«
    Anschließend beleckte er den Klebestreifen und verschloss den kleinen Umschlag sorgfältig, damit kein Unbefugter die Botschaft las.
    In der Nacht war Wind aufgekommen, und im Ort ging das Gerücht, dass der See seine Eisdecke abwarf. Vom Hotel aus rief Hermanni in Inari an und erfuhr, dass ein guter Teil der Fläche frei war. Buchstäblich im letzten Moment hatte er Lena Lundmark an Land gebracht.
    Mit leiser Wehmut ob des so raschen und schnöden Endes seines frühsommerlichen Abenteuers stieg Hermanni Heiskari in den Linienbus und fuhr in südliche Richtung; hinter Vuotso, am Abzweig zu seiner Hütte in Porttipahta, stieg er schließlich aus. Zu Hause schaltete er das Radio ein und las die Zeitungen, die sich in der Woche angesammelt hatten. Er verspürte Sehnsucht und hegte die leise Hoffnung, dass Lena Lundmark Kontakt zu ihm aufnehmen möge. Aber den Versprechen feiner Herrschaften konnte man nicht trauen, das war eine altbekannte Tatsache.
    Es war die Zeit des erwachenden Sommers, aber Hermanni Heiskaris Stimmung war trübe. Er starrte durchs Fenster seiner Hütte auf das niedrige Ufergebüsch am künstlichen See, wo die Schell- und Krickenten ihre Balz veranstalteten. Hermanni empfand das als blanken Hohn. Immer wieder musste er an Lena Lundmarks Frische und Natürlichkeit denken, an ihr schönes und dankbares Lächeln und ihre energische Art, den Kopf zurückzuwerfen, wobei das Haar so hübsch aus der Stirn nach hinten, über die Ohren und in den Nacken fiel …, war es nun rot oder braun gewesen, das Haar? Er sah die schimmernde Eisfläche des Inarisees vor sich und hatte von morgens bis abends den Gesang der Vögel im Ohr, und das machte dem alten fliegenden Gesellen mächtig zu schaffen. Lenas Figur hatte sich ihm nachdrücklich eingeprägt, ebenso ihr in jeder Hinsicht anziehendes Wesen. Schwer seufzend und hüstelnd versuchte er sich von diesen Gedanken zu befreien, kochte Kartoffeln, brutzelte in der Pfanne Rind- und Schweinefleisch aus der Dose und rauchte viele Schachteln grüner North State. Er fand keinen Schlaf, war so unruhig, dass er mitten in der Nacht aufstehen und im Schuppen Brennholz hacken musste, nach und nach sammelten sich dort Vorräte für mehrere Winter an. Hermanni begriff sehr wohl, dass er sich in seiner Dummheit verliebt hatte, aber diese Erkenntnis half ihm auch nicht weiter. Die brennende Leidenschaft ließ ihm keine Ruhe, und er ärgerte sich mächtig, dass er keinen Versuch unternommen hatte, bei Lena irgendwie zu landen. Jetzt war es zu spät, die Gelegenheit war verpasst, die wortlosen Träume waren dahingeschmolzen wie das dicke und endlose Eis des Inarisees. So geschah es mit allen
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