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Vom Alptraum verfolgt

Vom Alptraum verfolgt

Titel: Vom Alptraum verfolgt
Autoren: Carter Brown
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schlagen begonnen hatte. »Außerdem, Lieutenant, werde
ich...« Er hielt plötzlich inne und blickte mich mit seltsamem Gesichtsausdruck
an. »Was war das ?«
    »Was ?« knurrte ich.
    »Etwas wie ein Flüstern.« Seine
Stimme klang verkrampft, als stünde er kurz vor einem Nervenkollaps. »Ich habe
es eben deutlich gehört! Es...«
    Seine Augen traten hervor, während
er mit zittern-, der Hand wieder auf den Sarg wies. »Sehen Sie !«
    Ich blickte hin und sah, wie
der Deckel langsam seitlich über den oberen Teil des Sarges glitt. Polnik und der Leichenbestatter gaben gleichzeitig einen
wimmernden Laut von sich. Ich hätte mich wahrscheinlich beteiligt, aber meine
Stimmbänder waren plötzlich gelähmt. Dann senkte sich der Deckel und fiel
polternd auf den Boden. Ganz entfernt hörte ich, wie Schritte den Flur draußen
entlangkamen, und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß das, was kam, die Tür
öffnen — und nicht geradewegs durch sie hindurchgehen würde.
    Die Leiche setzte sich im Sarg
auf, lächelte uns freundlich an und sagte: »Guten Morgen !«
    Brenner fand noch gerade Zeit
für einen weiteren Wimmerlaut, bevor seine Knie einknickten und er bewußtlos auf den Boden fiel. Ich verspürte einen leichten
Stich des Neides — zumindest wurde sein Verstand nun nicht so zerrüttet wie der
meine.
    Das Lächeln verschwand langsam
aus dem Gesicht der Leiche. »Was haben Sie eigentlich hier in meinem
Schlafzimmer zu suchen, Gentlemen ?« fragte sie kalt.
    » Huii !« sagte Polnik schwerfällig. »Ein
wirklicher, lebender Vampir.«
    »In einem Sarg ?« krächzte ich. »Das soll wohl ein Witz sein !«
    »Dann ein weiblicher Dracula!«
Sein Gesicht legte sich alarmierend in Falten, während er mit einer gewaltigen
Anstrengung die rostige Kurbel in seinem Gehirnkasten in Bewegung setzte.
»Wissen Sie was ?« flüsterte er mir vertraulich zu.
»Sie ist durcheinander .«
    » Sie ist durcheinander«,
schnatterte ich. »Was, zum Kuckuck, glauben Sie, bin ich ?«
    »Sie hat ihren Fahrplan völlig
durcheinandergebracht !« Sein Geflüster bekam etwas
Verschwörerisches. »Sagen Sie ihr, Lieutenant, daß Vampire tagsüber zu schlafen
haben und ihre Transfusionen nachts vornehmen !«
    Die Leiche kletterte etwas
linkisch aus dem Sarg und blieb dann stehen, das Gesicht uns zugewandt, während
ihre Finger zerstreut die Falten ihres schwarzseidenen Leichenhemds
glattstrichen.
    »Ich begreife das alles nicht .« Ihre Stimme zitterte leicht. »Wollen Sie mir bitte
erklären, was das alles bedeuten soll ?«
    Sie war schlank und
dunkelhaarig, und man hätte sie als schön bezeichnen können, wenn sie nicht
diese Atmosphäre absoluten, an Arroganz grenzenden von sich selbst Überzeugtseins gehabt hätte, das sich in ihren kalten
dunklen Augen und dem Verdrießlich verzogenen Mund zeigte. Das schwarze
Leichenhemd war aus dünner Seide, schmiegte sich um ihren Körper und ließ den
kecken Schwung ihrer kleinen Brust und die Vollkommenheit ihrer langen Beine
erkennen. Wer sie auch sein mochte, eine Leiche war sie nicht, wie ich mit
einer Aufwallung von Erleichterung feststellte — und offensichtlich war sie
auch nie eine gewesen.
    »Ich warte auf eine Erklärung !« sagte sie scharf.
    Polnik spähte erwartungsvoll zu mir
herüber. »Glauben Sie, daß sie vielleicht wegen der Sommerzeit hier
durcheinandergekommen ist, Lieutenant ?«
    »Ach, halten Sie den Mund !« knurrte ich. »Ich...« Und dann hielt ich meinerseits den
Mund, als ich hörte, wie hinter mir energisch eine Tür geschlossen wurde und
mir die Schritte einfielen, die ich draußen auf dem Flur gehört hatte.
    »Guten Morgen, Vicki!« Der
volle Bariton füllte den Raum. »Hast du in deinem neuen Bett gut geschlafen ?«
    »Daddy!« Der verkrampfte
Ausdruck verschwand schnell vom Gesicht des Mädchens, und in ihren Augen
schimmerte warme Verehrung. »Ich dachte schon, ich hätte einen Alptraum !«
    Ich drehte mich langsam um und
blickte auf den Neuankömmling. Er war ein großer magerer Mann von Mitte
Fünfzig, der dieselbe beiläufige Selbstsicherheit ausstrahlte wie das Mädchen.
Sein Gesicht war faszinierend; es sah aus wie eine grausame, treffende
Karikatur eines wirklichen Gesichts. Ein Schopf drahtigen grauen Haars
überragte eine hohe gewölbte Stirn und buschige schwarze Brauen verliefen in
einem mephistophelischen Bogen über der langen Adlernase. Die Augen mit den
schweren Lidern schienen ein unendliches Verständnis auszudrücken, das längst
das Stadium der Toleranz
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