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Virulent

Virulent

Titel: Virulent
Autoren: Scott Sigler
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Muskeln klebte wie das Kostüm eines Superhelden. Langes blondes Haar umhüllte seinen Kopf und sein Gesicht wie eine Maske. Eine gewundene
Narbe von der Größe eines Baseballs zog sich über die Haut seines linken Unterarms.
    Der riesige Mann sprach. »Bist du …» Seine Stimme erstarb. Für einen kurzen Moment wurden seine Augen ganz schmal. Dann öffneten sie sich wieder, als erinnere er sich an etwas wirklich Cooles. »Bist du … Tad?«
    Tad nickte.
    »Tad«, sagte der Mann, »spürst du irgendwo ein … Jucken?«
    Tad schüttelte den Kopf. Der Mann drehte sein rechtes Ohr in Tads Richtung und beugte sich ein wenig vor, als versuche er etwas zu hören, das Tad geflüstert hatte.
    »Das ist wichtig«, sagte der Mann. »Bist du sicher? Bist du wirklich, wirklich sicher, dass du nirgendwo ein Jucken spürst? Nicht einmal ein ganz klein wenig?«
    Tad dachte sorgfältig darüber nach. Dann nickte er wieder.
    Der Mann ging in die Hocke und stützte sich auf ein Knie. Sogar in dieser Haltung musste er den Kopf nach unten beugen, um Tad in die Augen zu sehen. Langsam hob der Mann seine Riesenhand und legte sie sanft auf Tads Kopf. Kräftige Finger schlossen sich um Tads linke Schläfe und seine linke Wange, während ein Daumen, der so groß war wie Tads ganze Faust, über seine rechte Wange glitt.
    Tad blieb vollkommen regungslos. Der Mann drehte Tads Kopf nach hinten und dann nach rechts.
    »Tad, was ist mit deinem Auge passiert?«
    Tad schwieg.
    »Tad, mach mich nicht wütend«, sagte der Mann. »Was ist mit deinem Auge passiert?«
    »Daddy hat mich geschlagen.«
    Wieder wurden die Augen des Mannes ganz schmal.
    »Dein Daddy hat dich geschlagen?«

    Tad nickte. Jedenfalls versuchte er es. Er konnte den Kopf nicht bewegen.
    Der Mann stand auf. Tad reichte ihm kaum bis zum Gürtel.
    Der Mann ließ Tads Kopf los und deutete in die Richtung, aus der Tad gekommen war. »Ist das dein Haus?«
    Tad drehte sich nicht um. Er nickte nur.
    »Wie bist du rausgekommen?«
    »Ich bin aus dem Fenster an der Rückseite gesprungen«, sagte Tad.
    »Lauf weiter, Tad«, sagte der Mann. Er führte die Hand hinter seinen Rücken und zog ein langes, schwarzes Stück Metall hervor, das an einem Ende gebogen war. Tad wusste, was es war, seit er und seine Familie im letzten Sommer nach Cedar Point gefahren waren und Dad einen Reifen hatte wechseln müssen. Es war ein Montiereisen.
    Der Mann folgte der Straße in Richtung von Tads Haus.
    Tad sah ihm einige Sekunden lang nach. Dann fiel ihm ein, dass er auf der Flucht war, und wovor er floh. Er rannte den Bürgersteig entlang.
    Er schaffte einen Block, bevor er wieder stehen blieb. Wer hätte gedacht, dass es so viele Ablenkungen gab, wenn man weglief? Zuerst dieser riesengroße Superheld von einem Mann und dann ein Autounfall. Ein schicker rot-weißer Mustang und ein kleiner weißer Wagen mit einer Hecktüre waren frontal zusammengestoßen. Der Kofferraum des Mustangs stand offen. Auch die Fahrertür des kleinen weißen Wagens war offen. Das Innenlicht des Hecktürers strahlte herab auf einen Mann, der bewegungslos dalag. Seine Füße befanden sich noch immer in der Nähe des Gaspedals, sein Rücken lag auf dem nassen Asphalt.
    Der Mann hatte überall Blut im Gesicht.

    Und er hielt eine Waffe in der Hand.
    Auf dem Beifahrersitz saß noch ein Mann. Er bewegte sich nicht. Sein Körper war nach vorn gebeugt, und sein Gesicht ruhte in einem schlaffen Airbag.
    Im strömenden Regen und heftigen Wind hörte Tad eine leise Stimme.
    »Berichten Sie!«, sagte die Stimme. »Verdammt, Claude, berichten Sie!«
    Tad wusste, dass er einfach hätte weiterlaufen sollen. Doch was war, wenn seine Eltern ihn verfolgten? Vielleicht brauchte er diese Waffe da.
    Tad ging zu dem Mann, der auf der Straße lag. Der unablässige Regen wusch das Blut aus dem Gesicht des Mannes und spülte es auf den nassen, schwarzen Beton.
    »Baum! Wo sind Sie?«
    Die Stimme kam aus einem kleinen Stück weißen Plastiks, das neben dem Kopf des Mannes lag. Es war einer dieser Ohrhörer, die auch in Frankie Anvil, seiner Lieblings-Fernsehserie, benutzt wurden. Vielleicht war der Mann ein Cop, wie Frankie.
    Cops würden ihn wegbringen, ihn vor Mom und Dad schützen.
    Tad betrachtete den Ohrhörer eine Sekunde lang und hob ihn dann auf. »Hallo?«
    »Baum? Sind Sie das?«
    »Nein«, sagte Tad. »Mein Name ist Tad.«
    Eine Pause.
    »Tad, mein Name ist Dew Phillips. Weißt du, wo Mister Baumgartner ist?«
    »Äh … nein«, sagte Tad.
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