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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt
Autoren: Petra Richartz
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die Zellentür. Nichts. Er fing an zu schluchzen, immer heftiger. Bis er schrecklich weinte. Er schrie wieder. „Hilfe!“ Immer wieder schrie er um Hilfe. „Hört mich jemand?“ Nichts. Er hockte in einer Ecke. Zusammengekauert. Die Kälte war in seinem ganzen Körper angelangt. Er zitterte. Plötzlich vernahm er ein Geräusch. Er verharrte. Ein Schluchzen. Er hörte ein Schluchzen. „Hallo? Wer ist da? Hörst du mich?“, fragte er ins Nichts hinein. Stille. Er glaubte schon, dass er sich das einbildete. Doch dann hörte er eine Stimme, eine leise Stimme. Ein Mädchen, ein ängstliches Mädchen. „Hallo, wer bist du?“, fragte die Stimme flüsternd. Er konnte es nicht fassen. Jemand sprach mit ihm. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit und er konnte plötzlich die Konturen eines kleinen Mädchens erkennen, das gegenüber ebenfalls in einer Zelle auf dem Boden kauerte. Er stand auf und ging zum Gitter, mit zitternder Hand umfasste er die Stäbe. „Hallo! Hallo, ich bin Bryan, Bryan Gore.“

Kapitel 6

    San Diego ist eine Marinestadt und es ist die U.S. Navy, die der Innenstadt den Stempel aufdrückt. Egal, zu welcher Uhrzeit oder wo man sich gerade aufhält, man sieht immer einen Marinestützpunkt oder ein Schiff. Sara wählte den vertrauten Weg am Hafen entlang und betrachtete durch die Windschutzscheibe die dort liegenden Flugzeugträger, die im Licht der Hafenbeleuchtung funkelten. Manchmal konnte man sogar in der Bucht ein auftauchendes U-Boot bestaunen, dafür war es heute aber schon zu spät. Nach zehn Minuten Fahrt war Sara zuhause angekommen – wenn man das als solches bezeichnen konnte. Nach der Trennung von Matt hatte sie sich eine kleine Wohnung in einem Apartmentblock in Point Loma genommen. Eigentlich nur zur Überbrückung, mittlerweile wohnte sie dort aber seit über zwei Jahren. Die ersten drei Wochen hatte sie sogar in einem Motel in Pacific Beach gewohnt. Billig und ohne jeglichen Komfort. Doppelbett, ein festgeschraubter Fernseher, ein modriges Sofa. An der Wand hingen typische Fotos von Strandleben im billigen Rahmen. Eine gläserne Schiebetür führte auf den kleinen Balkon, die immer offen stand und ein bisschen für Durchzug sorgte. Das war eine Zeit, auf die sie nicht stolz war, dachte Sara, während sie an vertrauten Häusern und Vorgärten vorbeifuhr, als sie schließlich ihren Wagen parkte.

    Sie stieg aus, blieb einen Moment stehen und atmete die milde Luft ein. Gedankenverloren ging sie über den Parkplatz, hinüber zum Briefkasten, der sich unten am Eingang der Anlage befand. Wie fast immer fand sie darin nur Werbung. Sie warf die Prospekte weg und ging zur Treppe. Die Anlage war als eine Art Rondell gebaut. Zwei Etagen. In der Mitte gab es einen Swimmingpool, der allerdings immer so dreckig war, dass sich niemand traute, darin schwimmen zu gehen. Die Beleuchtung war kaputt – wie so häufig. Sara regte sich aber nicht mehr darüber auf. Ein Nachbar kam ihr entgegen und grüßte sie freundlich. Sara grüßte ihn zurück, obwohl sie noch nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte. Sie nahm langsam eine Stufe nach der nächsten, bis sie in ihrem Gang war.

    Sara schloss die Tür auf und trat ein. Sie schaltete das Licht an, warf ihre Tasche auf die Kommode, die direkt am Eingang stand. Die knapp 50 Quadratmeter waren gut geschnitten. Zwei Zimmer, Küche und Bad. Weiß gestrichene Dielen. Dadurch, dass sie ganz oben wohnte, war die Wohnung tagsüber schön hell und sonnendurchflutet. Trotzdem fühlte sich Sara nie wirklich wohl. Aber sie tat auch nichts, um das zu ändern. Die Möbel hatte sie von ihrem Vormieter übernommen. Sie waren nicht besonders schön, aber zweckmäßig. Sie schleuderte ihre Schuhe in eine Ecke und hängte ihre Jacke über einen Stuhl. Sara ging in die kleine Wohnküche, die direkt ans Wohnzimmer anschloss. In ihrer Küche hing kein überflüssiger Firlefanz, sie war pragmatisch ausgestattet. Eine Meisterköchin war sie noch nie gewesen. Früher hatte sie öfter für Matt und Noah gekocht, aber seitdem sie allein lebte, war das eher die absolute Seltenheit. Sie sah keinen Sinn darin, stundenlang in der Küche zu stehen, um letztendlich alleine vorm Fernseher zu essen. Sie nahm schließlich eine der 15 gestapelten Tiefkühlpizzen aus dem Gefrierschrank und schob sie in den Ofen. Dazu schenkte sie sich ein Glas Rotwein ein. Alleine trinken – kein gutes Zeichen. Das war ihr heute aber egal, sie brauchte diese Betäubung, um runterzukommen. Sie
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