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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung
Autoren: Stieg Larsson
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Tasche auf dem Boden. Die Geldscheine. Verblüfft machte sie zwei Schritte darauf zu, bevor ihr bewusst wurde, dass es warm im Raum war. Ihr Blick fiel auf einen Elektroofen, der mitten im Zimmer stand. Sie sah eine Kaffeemaschine. Das rote Lämpchen leuchtete.
    Das Zimmer war bewohnt. Sie war nicht allein in der Ziegelei.
    Hastig machte sie auf dem Absatz kehrt, durchquerte die Halle und rannte auf den Ausgang zu. Fünf Schritte vor dem Treppenhaus blieb sie stehen, als sie entdeckte, dass die Ausgangstür zugemacht und zusätzlich mit Vorhängeschlössern gesichert worden war. Sie war eingesperrt. Langsam drehte sie sich um und blickte sich um. Sie konnte niemanden entdecken.
    »Hallo, Schwesterherz«, hörte sie eine helle Stimme von der Seite.
    Sie drehte den Kopf und sah, wie Ronald Niedermanns hünenhafte Gestalt hinter ein paar Versandkisten mit Maschinenteilen auftauchte.
    In der Hand hielt er ein Bajonett.
    »Ich hatte gehofft, dass ich dich noch mal treffen würde«, erklärte er. »Letztes Mal war es ja nur ganz flüchtig.«
    Lisbeth sah sich um.
    »Keine Chance«, sagte Niedermann. »Hier sind nur du und ich, und es gibt keinen Weg hier raus außer der verschlossenen Tür hinter dir.«
    Lisbeth wandte den Blick wieder ihrem Halbbruder zu.
    »Wie geht’s deiner Hand?«, erkundigte sie sich.
    Niedermann lächelte sie immer noch an. Er hob die rechte Hand. Der kleine Finger fehlte.
    »Hat sich infiziert. Ich musste ihn abschneiden.«
    Ronald Niedermann litt an angeborener Analgesie und konnte keinen Schmerz empfinden. Lisbeth hatte ihm damals in Gosseberga einen Spaten in die Hand gerammt, wenige Sekunden bevor Zalatschenko sie in den Kopf schoss.
    »Ich hätte wohl lieber auf den Schädel zielen sollen«, meinte Lisbeth gleichmütig. »Was zum Teufel machst du hier? Ich dachte, du hättest dich schon vor Monaten ins Ausland abgesetzt.«
    Er lächelte sie an.
     
    Hätte Ronald Niedermann versucht, Lisbeths Frage zu beantworten, was er in der verfallenen Ziegelei machte, hätte er ihr die Antwort wahrscheinlich schuldig bleiben müssen. Er konnte es selbst nicht erklären.
    Gosseberga hatte er damals mit einem Gefühl der Befreiung verlassen. Er ging davon aus, dass Zalatschenko tot war und er das Unternehmen übernehmen würde. Er wusste, dass er ein großartiger Organisator war.
    In Alingsås hatte er das Fluchtfahrzeug gewechselt, die verschreckte Zahnarzthelferin Anita Kaspersson in den Kofferraum verfrachtet und war bis Borås gefahren. Da er keinen Plan hatte, musste er improvisieren. Über Anita Kasperssons Schicksal dachte er nicht weiter nach. Ob sie lebte oder starb, war ihm gleichgültig, doch er schätzte, dass er sie wohl umbringen musste, um eine lästige Zeugin zu beseitigen. Irgendwo am Rande von Borås wurde ihm plötzlich klar, dass er sie sich doch noch anders zunutze machen konnte. Also schlug er die südliche Richtung ein und fand ein verlassenes Waldstück kurz vor Seglora. Dort fesselte er sie in einer Scheune und ließ sie einfach liegen. Er rechnete damit, dass sie sich nach ein paar Stunden befreien konnte und die Polizei auf eine falsche Fährte in Richtung Süden locken würde. Und wenn sie sich nicht befreien konnte, sondern in der Scheune verhungerte oder erfror, war das nicht sein Problem.
    In Wirklichkeit fuhr er nach Borås zurück und dann in Richtung Osten nach Stockholm. Er fuhr geradewegs zum Svavelsjö MC, vermied es aber sorgfältig, das Klubhaus selbst anzusteuern. Es war ziemlich ärgerlich, dass Magge Lundin im Gefängnis saß. Stattdessen suchte er den Sergeant at Arms des Klubs, Hans-Åke Waltari, in dessen Haus auf. Er bat ihn um Hilfe und ein Versteck, woraufhin Waltari ihn zu Viktor Göransson lotste, dem Schatzmeister des Klubs. Dort blieb er jedoch nur wenige Stunden.
    Theoretisch hatte Ronald Niedermann keine finanziellen Sorgen. Zwar hatte er fast 200 000 Kronen in Gosseberga zurücklassen müssen, aber er hatte immer noch Zugang zu bedeutend höheren Summen, die im Ausland in Fonds angelegt waren. Das Problem war nur, dass er in der momentanen Situation furchtbar knapp an Bargeld war. Göransson kümmerte sich um die finanziellen Angelegenheiten des Klubs, und Niedermann erkannte, dass ihm hier ein glücklicher Zufall in die Hände spielte. Es war eine Kleinigkeit gewesen, Göransson zu überreden, ihm den Weg zum Tresor im Stall zu zeigen, und sich dort mit 800 000 Kronen in bar einzudecken.
    Niedermann glaubte sich zu erinnern, dass auch eine Frau im
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