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Vergebung

Vergebung

Titel: Vergebung
Autoren: Stieg Larsson
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Sowjetunion.«
    »Okay.«
    »Wie gesagt, ich weiß nicht, was genau hier heute Nacht passiert ist, aber Lisbeth hatte ihren Vater aufgespürt, nachdem sie ihn fünfzehn Jahre lang nicht gesehen hatte. Er hat ihre Mutter damals so schwer misshandelt, dass sie an den Folgen starb. Er hat auch versucht, Lisbeth umzubringen, und steckt letztlich hinter Niedermanns Mord an Dag Svensson und Mia Bergman. Außerdem war er verantwortlich für die Entführung von Lisbeths Freundin Miriam Wu.«
    »Wenn Lisbeth Salander ihrem Vater eine Axt in den Schädel gerammt hat, ist sie aber nicht völlig unschuldig.«
    »Lisbeth Salander hat selbst drei Kugeln im Körper. Ich glaube, man könnte sich hier auf ein gewisses Maß an Notwehr berufen. Ich frage mich sogar …«
    »Ja?«
    »Lisbeth war so über und über mit Erde bedeckt, auch ihre Haare waren nur noch eine einzige Lehmkruste. Überall in ihren Kleidern war Sand. Es sah aus, als wäre sie begraben gewesen. Und Niedermann hat ja ganz offensichtlich die Angewohnheit, Leute zu vergraben. Die Polizei in Södertälje hat zwei Gräber neben diesem Lager bei Nykvarn gefunden, das dem Bikerklub Svavelsjö MC gehört.«
    »Es sind in der Tat schon drei. Gestern Abend ist man noch auf ein weiteres Grab gestoßen. Aber wenn Lisbeth Salander erschossen und vergraben wurde - wie kann sie dann plötzlich wieder mit einer Axt in der Hand auftauchen?«
    »Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, aber Lisbeth ist so schnell nicht kleinzukriegen. Ich habe versucht, Paulsson zu überreden, dass er ein paar Polizeihunde holen lässt …«
    »Schon auf dem Weg.«
    »Gut.«
    »Paulsson hat Sie wegen Beleidigung festgenommen.«
    »Ich habe ihn als inkompetenten Idioten und Volltrottel bezeichnet. Keine dieser Bezeichnungen könnte in diesem Zusammenhang als Beleidigung gewertet werden.«
    »Hmm. Aber Sie wurden auch wegen unerlaubten Waffenbesitzes festgenommen.«
    »Ich habe den Fehler gemacht, ihm eine Waffe übergeben zu wollen. Im Übrigen will ich mich zu dieser Sache nicht weiter äußern, bevor ich mit meinem Anwalt gesprochen habe.«
    »Okay. Dann lassen wir das vorerst beiseite. Wir haben ja auch ernstere Dinge zu besprechen. Was wissen Sie noch über diesen Niedermann?«
    »Er ist ein Mörder. Irgendwas stimmt nicht mit ihm, er ist über zwei Meter groß und gebaut wie ein Panzer. Fragen Sie Paolo Roberto, der mit ihm geboxt hat. Der Mann leidet an angeborener Analgesie. Das ist eine Krankheit, bei der die Transmittersubstanzen im Nervensystem nicht mehr funktionieren, sodass er keinen Schmerz mehr empfinden kann. Er ist Deutscher, geboren in Hamburg, und war als Jugendlicher Skinhead. Er ist äußerst gefährlich und auf freiem Fuß.«
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, wohin er geflohen sein könnte?«
    »Nein. Ich weiß nur, dass ich ihn unschädlich gemacht hatte, bis dieser Volltrottel aus Trollhättan das Kommando übernahm.«
     
    Um kurz vor fünf Uhr morgens zog Dr. Anders Jonasson seine blutverschmierten Latexhandschuhe aus und warf sie in den Abfalleimer. Eine OP-Schwester legte Kompressen auf die Schusswunde an der Hüfte. Die Operation hatte drei Stunden lang gedauert. Er musterte Lisbeth Salanders übel mitgenommenen rasierten Schädel, der jetzt dick einbandagiert war.
    Er verspürte eine plötzliche Zärtlichkeit, wie er sie oft für Patienten empfand, die er gerade operiert hatte. Den Zeitungen zufolge war Lisbeth Salander eine psychopathische Massenmörderin, aber in seinen Augen sah sie eher aus wie ein angeschossener Spatz. Er schüttelte den Kopf und sah dann zu Professor Frank Ellis hinüber, der ihn amüsiert betrachtete.
    »Du bist ein außergewöhnlich guter Chirurg«, bemerkte Ellis.
    »Darf ich dich zum Frühstück einladen?«
    »Kann man hier irgendwo Pfannkuchen mit Marmelade kriegen?«
    »Waffeln«, bot Anders Jonasson an. »Bei mir. Lass mich nur kurz zu Hause anrufen und meine Frau warnen, dann steigen wir ins Taxi.« Er hielt inne und sah auf seine Uhr. »Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann sollten wir das mit dem Anruf vielleicht doch lieber sein lassen.«
     
    Die Rechtsanwältin Annika Giannini fuhr aus dem Schlaf hoch. Als sie den Kopf nach rechts wandte, stellte sie fest, dass es zwei Minuten vor sechs war. Sie hatte schon um acht den ersten Termin mit einem Mandanten. Sie drehte den Kopf nach links und musterte ihren Mann Enrico, der friedlich schlummerte und frühestens gegen acht aufwachen würde. Annika blinzelte ein paarmal, bevor sie aufstand,
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