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Verflixter Kerl

Verflixter Kerl

Titel: Verflixter Kerl
Autoren: Laura Petersen
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zum "Fischerstübchen".
    Sie kam über eine ganze Stunde zu spät. Matthias war nicht mehr da. Wütend über sich selbst und enttäuscht klatschte Silke ihre Umhängetasche gegen eine Hauswand. Das Geräusch sagte ihr, das sie ihre Sonnenbrille vergessen konnte. Und wenn schon.
    *

    "Sie ist nicht gekommen", sagte Matthias Graf missmutig zu seiner Tochter, als er nach dem geplatzten Treffen in ihre Ferienwohnung zurückkehrte. "Genau wie ich dachte. Ich hätte gar nicht hinzugehen brauchen. Es war mein letzter Versuch."
    Er hatte über eine halbe Stunde gewartet und war dann zu Sarah zurückgekehrt, die es sich inzwischen im Schlafanzug vor dem Fernseher bequem gemacht hatte. Sie hatte ihr Lieblingsvideo eingelegt, "Ronja Räubertochter" von Astrid Lindgren, neben sich ein große Glas Cola und auf dem Bauch eine Schüssel Kartoffelchips mit einer Pfütze Tomaten-Ketchup darüber, aus deren Mitte ein paar Cornichons ragten. Matthias staunte schon seit Längerem darüber, wie robust die Mägen von kleinen Mädchen sein mussten. Was Kinder im Laufe eines Tages aßen, konnte mancher Erwachsene nicht verkraften, auch wenn der Magen mit Leder ausgelegt gewesen wäre.
    "Was willst du jetzt machen?", fragte Sarah.
    "Nichts. Ich sehe mir deinen Film mit an."
    "Hast du schon etwas gegessen?"
    Er schüttelte den Kopf. "Ich habe nur gewartet, und dann ist mir der Appetit vergangen."
    "Ich hätte noch Lust auf eine Pizza oder so was."
    Matthias sah auf die Uhr. "Es ist schon nach neun. Normalerweise schläfst du um diese Zeit schon."
    "Ich habe ja Ferien", wandte sie ein. Das Argument fand sie immer unschlagbar.
    "Na schön", sagte Matthias. "Ich habe übrigens eine Gaststätte gefunden, die früher mal eine Kirche war. Ich würde gern mal hineinschauen, weil ich ja übermorgen wieder einen kleinen Zeitungsbericht abliefern muss. Ich weiß allerdings nicht, ob es da Pizza gibt."
    "Ich mag auch Fisch und Pommes und Hähnchen und Spaghetti", rief Sarah, wobei sie schon in ihr Zimmer lief, um sich umzuziehen. Matthias hatte kaum das Videogerät ausgeschaltet und die Schüssel mit den Chips in die Kochnische gestellt, da stand Sarah auch schon ausgehfertig an der Tür.
    "Es ist nicht weit", sagte er.
    "Warst du da mit ihr verabredet?", fragte Sarah, die im Gehen seine Hand genommen hatte.
    Er schüttelte den Kopf. "Da würde ich jetzt nicht mit dir hingehen."
    "Bist du traurig, weil sie nicht gekommen ist?"
    "Ist mir egal", brummte er. "Das Kapitel ist abgeschlossen. Sie will nichts von mir wissen, und damit fertig. Das muss ich akzeptieren, auch wenn's schade ist."
    "Schreib ihr doch einen Brief und erkläre ihr alles. Dass du ein Kind hast und keine Frau. Und dass das Kind eine Mutter haben will, die so richtig nett ist."
    Er begriff plötzlich, warum Sarah so hartnäckig auf dem Thema herumritt. Es ging gar nicht darum, ihn zu verkuppeln und Spaß daran zu haben, eine Liebesgeschichte mit anzusehen. Sie sehnte sich wirklich nach einer Mutter. Für ein Kind ist das ganz besonders wichtig. Für Babys ist die Mutter die ganze Welt, und wenn das Kind laufen kann, gehört der Vater und vielleicht die Geschwister noch dazu. Aber die Mutter bleibt das wichtigste. Es genügt einfach nicht, ein doppelt guter Vater ein zu wollen. Wenn die Mutter nicht mehr da ist, fehlt ein großer Teil der begreifbaren Welt, und es sind große Bereiche, die ein Kind beim Heranwachsen einfach nicht entdecken und erforschen kann. Und wenn Sarah erst einmal in die Pubertät kam, gab es eine Menge Dinge, die sie besser von einer Frau erklärt bekam. Sie brauchte eine Mutter, aber es musste ja nicht unbedingt Silke sein.
    "Ich habe ihre Adresse gar nicht", erklärte er. "So, nun sind wir gleich da. Siehst du das Haus, das wie eine kleine Kirche aussieht? Die Leuchtreklame heißt..."
    "Renas Klönstube", unterbrach Sarah ihn fröhlich. Nun, denn mal rein da!"
    Als Matthias und seine Tochter die große Gaststube betraten, der man auch innen immer noch ansah, das sie früher mal eine Kirche gewesen war, tönte ihnen laute Musik entgegen – aber was für welche! "Holladihi-dihi-dihi, holladi-lei-dihoh!", jodelte es schrill aus der Musikbox, einer alten Wurlitzer aus den Fünfziger Jahren, wie Matthias Graf erkannte.
    "Oje, Das Kufstein-Lied!" seufzte er. Das passte ja nun nicht gerade an die Waterkant.
    "Ist doch schön!", meinte Sarah munter und löste sich von seiner Hand. "Ich habe einen tollen Platz gefunden!" Sie rannte los, saß gleich darauf an einem freien
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