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Verdammte Unschuld

Verdammte Unschuld

Titel: Verdammte Unschuld
Autoren: Carol Grayson
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hatte dieses Stillsein dem Kind das Leben gerettet. Gemeinsam hatten die Brüder das kleine Mädchen großgezogen.
     
    Dabei sahen sie es eher als ein lebendiges Spielzeug an. Es bereitete ihnen Vergnügen, mit ihr zu spielen, ihr mittels Büchern die Sprache beizubringen, sie einzukleiden wie eine kleine Adelige, sie wie einen Schatz in der kleinen Pfarrkammer hinter dem Altar zu hüten, während sie selbst die Krypta als Schlafplatz bevorzugten. Menschliche Nahrung für das Kind besorgten sie unauffällig von den umliegenden Märkten, oder brachten ab und zu ein erlegtes Tier mit.
     
    Aus dem Mädchen war mit den Jahren eine junge Frau geworden. Für die Zwillinge selbst spielte Zeit keine Rolle mehr, seit ihr Vater sie noch als Halbwüchsige als Diener an den gefürchteten Fürsten Andreusz verkaufte, der sie seinerseits später zu Engeln der Finsternis machte, um sie seine Söhne nennen zu können. Durch das verdorbene Blut des grausamen Landesherrn wurden auch seine „Kinder“ zu verderbten Geschöpfen. Schön, gefährlich und mächtig zugleich. Einige Jahre später starb der Fürst in den Flammen des Schlosses, von dem nur noch eine Ruine übrig blieb. Die Einwohner der umliegenden Dörfer erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, dass die Söhne des Fürsten selbst das Schloss in Brand gesteckt hätten, um dem Despoten zu entkommen. Sascha und Sergej blieben spurlos verschwunden und gerieten in Vergessenheit. Das geschah im Rumänien des 16. Jahrhunderts.
     
    Annika selbst hatte im Laufe der Zeit eine tiefe Zuneigung zu ihren beiden „Entführern“ entwickelt, von deren wahren Wesen sie nichts ahnte. Nur in ihren nächtlichen Alpträumen schwelte die Erinnerung an einen schrecklichen Unfall, bei dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. 
    Sie lernte erst später, die Zwillinge auseinander zu halten, am Geruch oder am Temperament. Sascha war der Heißblütige von ihnen, Sergej eher der zurückhaltende Typ.
     
    Mittlerweile war das Empfinden der Brüder für die heranwachsende Annika mit den langen goldbraunen Haaren ein anderes geworden. Eine kleine, zierliche Schönheit hatte sich entwickelt, eine Rose, die gerade erblühte. Sascha und Sergej hielten sich nur in der Zeit von ihr fern, wenn sie das Blut witterten, das sie als Frau auszeichnete. Unter dem Vorwand, in der Stadt Geschäftliches erledigen zu müssen, blieb Annika für einige Zeit auf sich allein gestellt. 
    Andererseits betrachteten sie das junge Mädchen bereits als eine der ihren, doch die Beiden wussten auch, dass Annika dazu noch ihre Weihe empfangen musste – den blutigen Kuss der Verdammnis. 
    Wer auch immer ihr diesen Kuss schenkte, würde auf ewig mit ihr verbunden sein. Ein Privileg und zugleich ein Fluch. Wer Blut nahm, der musste auch Blut schenken, so lautete das uralte Gesetz, um einen neuen Vampir zu erschaffen, und mit dem Blut als Träger der Seele, flossen ebenso Schuld und Unschuld ineinander. 
     
    Die Schuld eines jahrhundertealten Vampirs ist so groß, dass alle Unschuld ausgelöscht wird. Mit dem Auslöschen der Unschuld aber wird erneut die Schuld des Erschaffers vergrößert, ein Teufelskreis, aus dem es für die Bluttrinker kein Entrinnen gibt. Daher überlegt sich jeder Vampir ganz genau, mit wem und mit was er sich unlösbar verbindet. 
     
    Die meisten Vampire schrecken davor zurück und überlassen die sterbenden Opfer lieber ihrem Schicksal und damit Gott. Ihnen hingegen würde niemand je vergeben. Nicht umsonst nennen die Menschen sie Untote. Sie sind dazu verdammt, auf das Ende der Welt zu warten, auf das Jüngste Gericht, den Zeitpunkt, an dem ihre Namen aus dem Buch des Lebens gestrichen werden und sie selbst für immer ausgelöscht. Doch dieser Zeitpunkt scheint noch unendlich fern. 
     
    Auch Sascha und Sergej hatten niemals zuvor einen anderen Vampir erschaffen. Erst seit Annika bei ihnen lebte, trugen sie sich mit diesem Gedanken und der Sehnsucht, sie für immer bei sich zu behalten. Im Großen und Ganzen waren sie mit ihrer Zuneigung bislang eher sparsam gewesen. Das Verlangen nach einer Gefährtin war erst langsam in ihnen gewachsen, so, wie auch Annika langsam heranwuchs.
     
    Das Mädchen vertraute den Brüdern, kannte sie doch nichts anderes als dieses ungewöhnliche Heim, den Friedhof und einen Teil des Waldes, wenn sie dort Feuerholz und essbare Früchte sammelte. Im Gegensatz zu den beiden Brüdern bedurfte sie der Wärme, denn im Inneren der Kirche herrschte eine schwere Kühle,
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