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Verborgene Muster

Titel: Verborgene Muster
Autoren: Ian Rankin
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Wie sie ihre
gemeinsame Tochter erzogen hatte, war eine Schande. Michael hatte seiner Tochter ebenfalls zu
viele Freiheiten gelassen. Doch wem sollte man dafür die Schuld geben?
Rebus' Bruder besaß ein ansehnliches Haus. Er war in die Fußstapfen des alten Herrn getreten und
Bühnenhypnotiseur geworden. Nach allem, was man so hörte, schien er recht gut darin zu sein.
Rebus hatte Michael nie gefragt, wie es funktionierte, so wie er auch nie Interesse oder Neugier
an der Show des alten Herrn gezeigt hatte. Michael schien das immer noch zu irritieren, denn ab
und zu ließ er Hinweise oder Andeutungen hinsichtlich der Authentizität seiner Bühnenschau
fallen, denen er hätte nachgehen können, wenn er gewollt hätte.
Aber John Rebus hatte genug am Hals, dem er nachgehen musste, und das schon seit fünfzehn Jahren,
seit er bei der Polizei war. Fünfzehn Jahre, und alles, was er vorzuweisen hatte, waren eine
gehörige Portion Selbstmitleid und eine kaputte Ehe, dazu eine unschuldige Tochter, die irgendwo
dazwischen hing. Es war eher abscheulich als traurig. Michael hingegen war glücklich verheiratet,
hatte zwei Kinder und ein größeres Haus, als Rebus es sich jemals würde leisten können. Er trat
als Hauptattraktion in Hotels, Clubs und sogar Theatern zwischen Newcastle und Wick auf. Manchmal
verdiente er bis zu sechshundert Pfund mit einer einzigen Show. Ungeheuerlich. Er fuhr ein teures
Auto, war gut angezogen und würde mit Sicherheit nicht am trübsten Apriltag seit Jahren bei
strömendem Regen auf einem Friedhof in Fife dumm herumstehen. Nein, dazu war Michael viel zu
clever. Oder zu blöde.
»John! Um Himmels willen, was ist los? Ich meine, ich freu mich, dich zu sehen. Aber warum hast
du denn nicht angerufen, um mich vorzuwarnen? Komm rein.«
Der Empfang war so, wie Rebus ihn erwartet hatte: peinlich berührte Überraschung, als ob es weh
täte, daran erinnert zu werden, dass man noch irgendwo Familie hatte. Und Rebus war aufgefallen,
dass von »vorwarnen« die Rede war, wo doch »Bescheid sagen« gereicht hätte. Er war Polizist. Er
bemerkte solche Dinge.
Michael Rebus hastete durch das Wohnzimmer und stellte die plärrende Stereoanlage leiser.
»Komm doch rein, John«, rief er. »Möchtest du was zu trinken? Vielleicht einen Kaffee? Oder was
Stärkeres? Was führt dich hierher?«
Rebus setzte sich hin, als wäre er im Haus eines Fremden, den Rücken gerade und mit
professioneller Miene. Er betrachtete die holzgetäfelten Wände - eine neue Errungenschaft - und
die gerahmten Fotos von seinem Neffen und seiner Nichte.
»Ich war gerade in der Gegend«, sagte er.
Michael, der sich mit den gefüllten Gläsern in der Hand vom Barschrank wegdrehte, erinnerte sich
plötzlich - oder lieferte zumindest eine überzeugende Show ab.
»Oh, John, das hab ich völlig vergessen. Warum hast du mir nichts gesagt? Find ich echt Scheiße,
dass ich Dads Todestag vergessen habe.«
»Jedenfalls gut, dass du Hypnotiseur und nicht Mickey, der Gedächtniskünstler, bist. Jetzt gib
mir endlich das Glas, oder kannst du dich nicht davon trennen?« Michael lächelte deutlich
erleichtert und gab ihm den Whisky.
»Ist das dein Auto da draußen?«, fragte Rebus, während er das Glas entgegennahm. »Ich meine den
großen BMW?« Michael nickte immer noch lächelnd.
»Mein Gott«, sagte Rebus. »Du lebst ja nicht schlecht.«
»Chrissie und die Kinder können aber auch nicht klagen. Wir bauen gerade hinten am Haus an. Um
einen Whirlpool oder eine Sauna unterzubringen. Das ist zurzeit der Hit, und Chrissie will
unbedingt immer allen anderen einen Schritt voraus sein.«
Rebus trank einen Schluck Whisky. Es war ein Malt. Nichts in diesem Raum war billig, aber auch
nichts war besonders erstrebenswert. Zierrat aus Glas, eine Kristallkaraffe auf einem silbernen
Tablett, Fernseher und Video, die unvorstellbar winzige Hi-Fi-Anlage und die Onyxlampe. Rebus
hatte ein leicht schlechtes Gewissen wegen dieser Lampe. Rhona und er hatten sie Michael und
Chrissie zur Hochzeit geschenkt. Chrissie redete nicht mehr mit ihm. Wer konnte es ihr
verdenken?
»Wo ist eigentlich Chrissie?«
»Oh, sie ist unterwegs, irgendwas einkaufen. Sie hat jetzt ein eigenes Auto. Die Kinder sind noch
in der Schule. Sie holt sie auf dem Heimweg ab. Bleibst du zum Essen?«
Rebus zuckte die Achseln.
»Du kannst gerne bleiben«, sagte Michael wohl in der Annahme, dass Rebus es ja doch nicht tun
würde. »Wie läuft's denn im Revier? Wurstelt ihr
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