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Venusblut - Schreiner, J: Venusblut

Venusblut - Schreiner, J: Venusblut

Titel: Venusblut - Schreiner, J: Venusblut
Autoren: Jennifer Schreiner
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katapultierte, wenn er sie ansah. Sie hatte seinen Bruder geliebt, benutzt und in den Tod getrieben. Dies waren Fakten ohne jedes »Vielleicht«. Und nun versuchte sie ihn zu benutzten. Doch was bezweckte sie mit ihren Tränen?
    Er sah zu, wie sich Maeve abgewandte, als versuche sie ihre Gefühle zu verbergen, aber er wusste, dass das Gegenteil der Fall war. Wie in einem lebensgroßen Schachspiel hatte sie beschlossen, ihn zu manipulieren und einzusetzen. War er Bauer oder Läufer? Würde er die gegnerische Königin ausschalten, oder von ihr schachmatt gesetzt werden? Er ballte seine Hände zu Fäusten. Was hatte das Biest bloß vor? Und wie viel wusste sie wirklich? Sekundenlang war er versucht, sich einen mentalen Überblick zu verschaffen. Aber er ahnte, dass die Königin vor einer derartigen Attacke gefeit war. Zu gut erinnerte er sich an die Attentäter, die vor wenigen Tagen versucht hatten, sie zu töten. Keiner von ihnen war ihr auch nur nahe gekommen. Maeve schien magischen Schutz zu genießen, vielleicht ein letztes Abschiedsgeschenk ihrer toten Schwester.
    Deswegen würde er sich auch weiterhin beherrschen müssen – und auf seine Chance warten.

3
    Vorsichtig streckte Joel seinen Körper, doch nach dem Blut und einer ruhigen Nacht schien er – bis auf den Phantomschmerz an den Kreuzigungsstellen – wieder vollkommen wiederhergestellt zu sein. Lediglich sein Stolz war angekratzt.
    Trotzdem verharrte er, vorsichtiger geworden, einen weiteren Augenblick in seinem Versteck und prüfte seine Umgebung auf Schatten, Vampire und überraschende Fallen. Sie war frei von alledem.
    Er betrat die Welt der Sterblichen. Größere Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser säumten die Straße und verliehen der Umgebung einen Hauch Nostalgie und scheinbarer Stabilität. Natur und technische Menschenwelt vermischten sich an diesem Randstreifen zwischen Stadt und Land und bildeten eine merkwürdige Harmonie aus Sicherheit und Wildheit, an die sich die Bewohner der Häuser längst gewöhnt hatten.
    Joel schmunzelte. Seine Sinne waren weit geöffnet und sein Verstand war hellwach. Er fühlte sich frisch und bereit für Neuerungen. Ein Zustand, der ihm schon vor Jahrhunderten abhanden gekommen war. Doch trotz seiner Zuversicht fühlte er eine Wehmut, die sich in seinen Gedanken festgesetzt hatte und die es ihm unmöglich machte, sich ihr zu widersetzen. Sie ließ sich nicht mit dem sanft schmeichelnden Wind erklären, der Düfte mit sich brachte, die an sein untotes Herz rührten, weil sie ihn an sein Leben erinnerten, und auch nicht mit den Geräuschen häuslichen Friedens, die hinter den Hausfassaden hörbar waren. Es war die Sorglosigkeit, mit der die Sterblichen lebten und sich zur Ruhe betteten. In der Gewissheit, am nächsten Morgen wach zu werden und einen neuen Tag zu erleben. Hinter offenen Fenstern, geöffneten Balkontüren oder sogar hinter aufgesperrten Verandatüren konnte er die Lebenszeichen der Menschen spüren. Oftmals nur geschützt durch ein leicht hochschiebbares Rollo und den Glauben an das Gute in den anderen Menschen. Ein Glaube, der ihnärgerte, weil er beinahe gestorben war, ohne dass sie es mitbekommen hatten. Und tief in ihm nagte ein weitaus verheerenderer Gedanke: Wäre er gestorben, hätte es niemanden wirklich berührt.
    Für Sekunden verschmolz Joel, der Anführer der Schatten, mit der Dunkelheit und prüfte das Gebäude in der Mitte des Wohnviertels. Auch hier stand die Balkontür weit offen, es gab nicht einmal Rollläden, die die wilde Nacht aussperrten und die Zivilisation einschlossen. Seltsam, wie sicher sich die Menschen vorkamen, wenn sie im zweiten Stockwerk wohnten. Selbst für einen Einbrecher war die Höhe keine große Herausforderung. Kaum hatte Joel daran gedacht, stand er schon auf dem Balkon und wartete. Noch immer nichts. Seine Sinne hatten ihn nicht getrogen. Kein Magnus und keine Falle warteten auf ihn.
    Jetzt konnte er sogar die leisen Atemzüge einer Person im Inneren der Wohnung hören. Magnus Wohnung! Hatte Magnus seine Familie nicht in Sicherheit gebracht? Beinahe hätte Joel gelacht über so viel Leichtsinn. Dann kam die Trauer über die Dummheit Magnus’, und er erkannte den Ursprung seiner Melancholie, seinen inneren Zwiespalt. Magnus hatte der Königin ihren wertvollsten Besitz geraubt – und seine Familie zurückgelassen.
    Wie hatte er glauben können, Maeve würde vor der Familie seines Bruders Halt machen? Wie hatte Magnus glauben können, Joel würde
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