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Venetia und der Wuestling

Venetia und der Wuestling

Titel: Venetia und der Wuestling
Autoren: Georgette Heyer
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wären sie Nonnen gewesen. Aber da sie immer noch dort lebten und sich, soweit bekannt, nicht von ihrer Zuflucht weggerührt hatten, dürften sie vermutlich zufrieden gewesen sein. Aber Venetia war keine Exzentrikerin, und selbst wenn sie eine Busenfreundin besessen hätte, hätte sie auch nicht einen Augenblick lang daran gedacht, mit ihr zusammenzuziehen - da wäre selbst eine Heirat mit Edward einer solchen ménage vorzuziehen gewesen. Und ohne ihre Fantasie mit kindisch mädchenhaften Träumen von einem edlen und schönen Freier zu füttern, hatte Venetia doch das Gefühl, dass eine Ehe mit einem anderen als Edward die angenehmste Lösung ihrer Schwierigkeiten bedeutet hätte.
    Sie war noch nie verliebt gewesen. Und mit fünfundzwanzig hegte sie keine großen Erwartungen mehr. Ihre einzige Bekanntschaft mit romantischer Liebe lag zwischen den Deckeln der Bücher eingeschlossen, die sie gelesen hatte. Und wenn sie vor langer Zeit auch einmal vertrauensvoll das Auftauchen eines Sir Charles Grandison auf der Bildfläche erwartete, so hatte es nicht lange gedauert, bis die Vernunft einen solchen Optimismus verdrängte. In den Tagen, als sie hie und da bei den Unterhaltungen in York erschien, hatte sie sehr viel Bewunderung erregt, und mehr als ein vielversprechender junger Gentleman, der zuerst von ihrer Schönheit betroffen und dann von ihrem freimütigen Benehmen und dem Charme ihrer lächelnden Augen gefangen genommen wurde, wäre sehr glücklich gewesen, eine bloße Ballsaalbekanntschaft zu vertiefen. Leider gab es aber keine Möglichkeit, sie in der üblichen Art zu vertiefen, und wenn auch verschiedene empfängliche Herren verbittert gegen das Barbarentum eines Vaters tobten, der keinem Besucher erlaubte, sein Haus zu betreten, war doch keiner von ihnen so tief ins Herz getroffen, nachdem er mit der lieblichen Miss Lanyon einen einzigen Ländler getanzt hatte, dass er jeden Kanon der Schicklichkeit beiseitegeschoben hätte und - aus der grässlichen Angst heraus, einen großen Narren aus sich zu machen - von York nach Undershaw geritten wäre, um dort um die Parktore des Herrenhauses zu schleichen, in der Hoffnung, ein heimliches Treffen mit Venetia zu erreichen oder gar sich seinen Weg in das Haus zu erzwingen.
    Nur Edward Yardley, dem Patenkind Sir Francis', wurde stillschweigend die Erlaubnis gewährt, dessen Schwelle zu überschreiten. Er wurde nicht willkommen geheißen, da Sir Francis während seiner Besuche selten aus seiner Bibliothek auftauchte, aber da Edward mit Venetia spazieren gehen, plaudern und ausreiten durfte, glaubte man allgemein, dass ein Heiratsantrag von ihrem morosen Papa akzeptiert worden wäre.
    Niemand hätte Edward als einen ungeduldigen Liebhaber bezeichnen können.
    Venetia war der Magnet, der ihn nach Un-dershaw zog, aber es dauerte vier Jahre, bevor er sich erklärte, und sie hätte damals fast glauben können, dass er es gegen seine bessere Uberzeugung tat. Sie zögerte nicht, seinen Antrag abzulehnen, denn wie sehr sie auch seine guten Eigenschaften schätzte und wie dankbar sie ihm auch für die verschiedenen Dienste, die er für sie besorgte, war - lieben konnte sie ihn nicht. Sie wäre froh gewesen, mit ihm weiter in alter Freundschaft zu verkehren, aber Edward, der sich endlich zu dem Antrag aufgerafft hatte, war dann anscheinend ebenso hartnäckig wie zuversichtlich. Er war über ihre Ablehnung durchaus nicht niedergeschlagen. Er schrieb diese ganz ernstlich der Schüchternheit zu, einer mädchenhaften Bescheidenheit und Überraschung, ja sogar ihrer Ergebenheit zu ihrem verwitweten Vater; versicherte ihr freundlich, dass er solche Gefühle durchaus verstand, und gab sich zufrieden, zu warten, bis sie ihr eigenes Flerz erforscht hatte - und begann von jenem Tag an, ihr gegenüber ein herrisches Benehmen zu entwickeln, das sie sehr oft dazu reizte, genau entgegengesetzt zu dem zu handeln, was er riet, und zu sagen, was immer ihr einfiel, das ihn bestimmt schockieren musste. Aber es wirkte nicht. Er zeigte zwar seine Missbilligung häufig, milderte sie aber durch Duldsamkeit. Ihre Lebhaftigkeit faszinierte ihn, und er zweifelte nicht daran, dass er fähig war, sie - sobald sie einmal ihm gehören würde - ganz so zu formen, wie er sie haben wollte.
    Als Sir Francis starb, wiederholte Edward seinen Antrag. Wieder wurde er abgelehnt.
    Diesmal war er hartnäckiger, was Venetia ohnehin erwartet hatte. Was sie hingegen nicht erwartet hatte, war, dass er plötzlich annahm, ihr
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