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v204640

v204640

Titel: v204640
Autoren: Susanna Calaverno
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guten Ratschlägen zum Trotz, erfolgreich einen Pickel ausgedrückt haben.
    Dieses Wohlgefühl bleibt einem bei Brombeeren versagt. Sie wurzeln einfach zu tief. Wohl oder übel wird man also an den Punkt stoßen, wo der Griff der Wurzel tief unten im Boden gegen den Gärtner siegt und er mit dem letzten Stück, das er dem Gegner abringen kann, rückwärts taumelt. Auch ich wurde wieder überrascht, wie beim Tauziehen, wenn die andere Gruppe plötzlich loslässt. Ich konnte mich gerade noch so drehen, dass ich mich in die kretische Melisse und nicht in die zartrosa Dahlie setzte, die ich aus rein gestalterischen Gesichtspunkten in die Kräuterecke gepflanzt hatte.
    Etwas außer Puste blieb ich sitzen und betrachtete meine Beute. Resigniert warf ich sie in Richtung des Unkrauteimers und wischte mir mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn, der begonnen hatte, sich einen Weg über die Schläfen zu suchen. Ich blies nach oben, um meinen Pony etwas von der Stirn zu lösen und lockerte mein T-Shirt, das an mir klebte, als sei ich damit gerade aus dem Wasser gestiegen. Meine Nachbarin Frau Stegmaier, eine erfahrenere Gärtnerin, sieht man nachmittags nie im Garten – jedenfalls nicht während der heißen Monate. Ich muss zugeben, das ist mit ein Grund, weshalb ich gerade diese Tageszeit vorziehe. Natürlich ist es vormittags noch nicht so schweißtreibend, dafür aber vom nächtlichen Tau so nass, dass alles trieft. Da ist mir die trockene Hitze lieber. Frau Stegmaier ist ziemlich beleibt. Es ist also verständlich, dass sie leicht »überhitzt«, wie sie es ausdrückt.
    Träge ließ ich meinen Blick wandern. Die zerdrückten Blätter unter mir dufteten warm und würzig, weckten Bilder von metallisch dunkelblauem Himmel, hellen Felsen und gleißender Sonne auf endlos scheinender Wasserfläche. Vielleicht ziehe ich sie deshalb der Zitronenmelisse, ihrer nordeuropäischen Schwester, vor. Deren Duft assoziiere ich eher mit Jugendherberge, Besuch bei den Tanten auf dem Lande und Naturkostladen.
    Im Sommer lebe ich ein eigenes, ganz privates Leben. Kein Mensch bemerkt es. Höchstens, dass man den Kopf über mich schüttelt, aber es gibt schlimmere Marotten als Gärtnern. Es ist immer noch nett angepasst und gesellschaftskonform. Es beginnt mit den duftenden Frühjahrsblühern. Sobald sie in den Gartencentern und Baumärkten angeboten werden, mutiere ich zum Dauergast. Von Hyazinthen und Tazetten kann ich gar nicht genug bekommen. Natürlich kommen sie in den Treibhäusern besser zur Geltung als im Garten. Da geht es mit Flieder und Apfelbäumen los! Als Kind liebte ich es, wenn ich nachts aufwachte, heimlich in die Obstplantagen zu schleichen und ganz allein im Mondlicht zu rennen. Manchmal zog ich dazu sogar mein Nachthemd aus, weil ich dann den Windhauch besser auf der Haut spüren konnte und mir einbildete, es sei der Duft der Apfelblüten. Das getraue ich mich nicht mehr, aber das Aroma von Apfelblüten lässt mich immer noch unruhig werden.
    Wenn bald darauf die Symphonie der Päonien in die der Rosen übergeht, sich überschneidet und zu einer überwältigenden Duftwelt verbindet, ist für mich die schönste Zeit des Jahres. Ich verstehe die Leute nicht, die sich zufrieden geben mit einer roten, gelben oder rosafarbenen Rose. Jede von ihnen ist einzigartig: La Reine Victoria, Rose von Resht, Fantin Latour, Madame Hardy. Schon die Namen klingen wie aus einem alten Roman und rascheln wie Spitzenunterröcke.
    Am liebsten sind mir die so genannten »Alten Rosen«. Haben sie auch keine perfekte Teerosenblüte, die für mich sowieso irgendwie gekünstelt aussieht, so machen sie das mehr als wett mit ihren Düften, die aus den üppig gekräuselten Blüten strömen. Eine Rose ohne Duft ist nicht besser als eine Papierblume. Besonders abstoßend finde ich die perversen, langstieligen Baccaras, die man für teures Geld aus Mittelamerika einfliegt und die man eigentlich als Sondermüll entsorgen müsste – so voller Pestizide und Chemikalien werden sie gepumpt. Im Juni ist das ganze Haus getränkt mit Rosenduft. Ich stelle die Schalen mit den Blüten überall auf, sogar im Schlafzimmer. Leider ist diese Zeit kaum länger als ein paar Wochen. Aber vielleicht ist sie ja gerade deshalb so besonders. Hätte man die Rosen immer, wäre man ihrer wahrscheinlich bald überdrüssig, würde sie sogar als aufdringlich empfinden. Aber solange die Rosenzeit währt, genieße ich sie in vollen Zügen.
    In jenem Jahr konnte man die Rosen schon
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