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Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
Autoren: Bree Despain
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Zeitpunkt für das unerwartete Einsetzen meines Supergehörs. »Was ist denn hier los?«, rief ich in den Lärm. »Ich hab doch James schon vor zwei Stunden ins Bett gesteckt.« Bevor ich gegangen war, hatte ich darauf geachtet, dass James im Bett lag und Charity an ihren Hausaufgaben saß. Da Dad nicht da war, war es das Mindeste, was ich tun konnte.
    »Ich weiß nicht. Er ist vor einer Stunde schreiend aufgewacht«, rief Charity und entging mit ihrem Gesicht nur knapp einem Faustschlag von James. »Ich konnte ihn beruhigen. Aber er ist völlig ausgeflippt, als ich versucht habe, ihn wieder in sein Zimmer zu bringen. Vielleicht hatte er einen Albtraum und dachte, dass da etwas vor seinem Fenster sei oder so was.«
    Ich warf Daniel einen Blick zu. Er nickte. Was James vor seinem Fenster gesehen hatte, war womöglich kein Albtraum gewesen.
    »Ah, James! Hör auf!«, schrie Charity, als James in ihren Armen einen Buckel machte und mit den Beinen strampelte. Beinahe wäre er ihr aus den Armen gerutscht und sie hätte ihn auf die Treppe fallen lassen.
    »Ich nehme ihn.« Daniel trat neben mir in den Flur und hob James aus Charitys Armen. »Beruhige dich, Baby J«, sagte Daniel und klopfte ihm spielerisch auf den Po. Fast augenblicklich wurde James still und schlang seine zitternden Arme um Daniels Hals. Daniel war noch immer sein großer Held. James, in seinem Schlafanzug, sah in Daniels starken Armen ganz winzig aus. Ich musste wieder daran denken, wie Daniel ihn aufgefangen hatte, als er von dem zwölf Meter hohen Abhang in den Wäldern hinter unserem Viertel herabgestürzt war.
    »Wie wär’s, wenn ich dir eine Geschichte vorlese?«, fragte Daniel und rubbelte seine Nase über James’ Wange.
    James nickte und rieb seine verweinten roten Augen.
    »Was hältst du von
Wo die wilden Kerle wohnen
? Ich mag den Jungen im Wolfskostüm.« Das war James’ Lieblingsbuch – ein Geschenk von Daniel zu seinem zweiten Geburtstag vor sechs Monaten.
    James schüttelte den Kopf. »Nöö, zu
guselig
.« Sein Kinn zitterte. Er musste ziemliche Angst gehabt haben.
    »Dann lieber
Pu, der Bär
?« Daniel hob James auf seine Schultern und sah mich an. »Ich bringe ihn ins Bett.«
    »Danke«, sagten Charity und ich wie aus einem Munde.
    Ich sah zu, wie Daniel die Treppe hinauftrottete und in seiner besten iah-Stimme auf James einredete – was mehr wie Marlon Brando klang, wenn ihr mich fragt. Wie konnte bloß irgendjemand ihn nicht lieben? Und wieso sollte Jude immer noch denken, dass man ihm nicht trauen konnte?
    »Endlich«, murmelte Charity. »Ich muss noch drei Seiten Mathe machen.«
    »Tut mir leid. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht so lange weggeblieben.«
    »Schon okay.« Sie fuhr mit dem Finger über die Maserung des Eichengeländers. »Du bist ohnehin nicht diejenige, die sich um James kümmern sollte.« Sie blickte durch den Flur zum Wohnzimmer. »Kannst du Mom nicht fragen, ob sie den Fernseher leiser stellt? Ich muss mich wirklich etwas konzentrieren.«
    »Ist sie wieder in ihrem Zombie-Queen-Modus?«
    Charity nickte.
    Ich hätte wissen müssen, dass ein Tag mit Tante Carol meine Mutter auch nicht in bessere Stimmung versetzen konnte. Carol kam gerne vorbei, um ›auszuhelfen‹, wenn Dad manchmal nicht da war. Doch ihre höhnischen Kommentare über unsere gar nicht so perfekte Divine-Familie wurden schnell unangenehm.
    »Möchte wissen, wie lange es diesmal anhält«, sagte Charity und lief die Treppe hinauf.
    Ich atmete tief durch und ging ins Wohnzimmer. James hatte zu weinen aufgehört. Ich konnte aus seinem Zimmer sogar Gelächter hören, doch die Lautstärke des Fernsehers war immer noch voll aufgedreht. Meine Ohren pochten, als ich näher an den Apparat heranging.
    Ich nahm die Fernbedienung in die Hand, als die Nachrichten gerade zu einer neuen Meldung überwechselten. Ein Reporter stand an einer Absperrung vor einem Juweliergeschäft mit dem Namen ›Familienschmuck‹. Ich war schon mehr als einmal dort vorbeigekommen, wenn ich mich im Antiquitätenviertel der Stadt aufhielt. »In denletzten 48 Stunden wurden mitten am Tag zwei Juweliergeschäfte überfallen«, sagte der Reporter. »Da es keine Zeugen für diese dreisten Verbrechen gibt, steht die Polizei vor einem Rätsel. Die Angestellten beider Geschäfte geben an, dass man sie bewusstlos geschlagen habe, bevor sie irgendetwas bemerkten. Beide Läden wurden innerhalb von wenigen Minuten komplett demoliert und ausgeraubt. Die Überwachungskameras
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