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Unter der Haut (German Edition)

Unter der Haut (German Edition)

Titel: Unter der Haut (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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vorbildlicher Soldat. Als sein Pferd bei Balaklawa unter ihm erschossen wurde, kümmerte er sich weiter um die Verletzten, obwohl er selbst ebenfalls verwundet war. Er bekam mehrere Orden. Hier ist eine Eintragung vom 1 . März 1862 aus der
United Service Gazette:
     
    »Viertes (königliches) Husarenregiment – Cahir. Am Freitag, den 21 . überreichten die Offiziere dieses Regiments ihrem Oberfeldwebel a.D.J. McVeagh, jetzt berittener Yeoman Warder of the Tower, eine Börse mit 20  Guineen sowie eine silberne Schnupftabaksdose, auf der, kunstvoll eingraviert, seine Kriegstaten verzeichnet sind. Nur wenige Männer sind wegen ihrer guten Führung höher geehrt worden als Oberfeldwebel McVeagh beim Abschied von seinem bei Curragh lagernden Regiment vor wenigen Monaten, von wo aus er nach 24  Jahren bei der Truppe seine neue Stelle antreten sollte. Die Unteroffiziere und Gefreiten überreichten ihm ein kostbares Teeservice mit der folgenden Gravur: ›Für John McVeagh, Oberfeldwebel im Lazarett, als Anerkennung für seine immerwährende Freundlichkeit und Güte.‹ Während des Krimkrieges war er ständig bei seinem Regiment im Feld, wo er die Kranken und Verwundeten versorgte und für seine ausgezeichneten Dienste einen mit einer jährlichen Rente von 20  Pfund verbundenen Orden erhielt sowie einen türkischen und einen Krimorden mit vier Spangen.«
     
    Johns Frau war Martha Snewin, die in Kent geborene Tochter eines Schuhmachers. Sie reiste mit ihrem Mann im Land umher, während er als Werbeoffizier bei der Armee diente. Mehr wissen wir nicht von ihr. Er sorgte dafür, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung bekamen. Seiner Tochter Martha, die ihn nach dem Tod seiner Frau betreute, hinterließ er ein großzügiges Erbe, aber sie ist eine der unsichtbaren Frauen in der Geschichte.
    Mein Großvater John William war der jüngste Sohn. Er arbeitete zunächst als Bürokraft im Wetteramt und ab 1881 als Bankangestellter. Dann wurde er Filialleiter einer Bank in der Barking Road, aber er starb in Blackheath. Er, der Sohn eines einfachen Soldaten, stieg mit jedem Umzug von Haus zu Haus weiter auf und heiratete seine zweite Frau, Emilys Nachfolgerin, in der St.-George-Kirche am Hanover Square. Diese Stiefmutter war nicht, wie ich es mir wegen ihres eleganten spitzen Gesichtes einbildete, jüdisch, sondern die Tochter eines Dissenters, der später anglikanischer Priester wurde. Sie stammte aus einer Mittelschichtsfamilie. Ihr Name war Maria Martyn. Meine Mutter beschrieb sie voll Abneigung als typische Stiefmutter, kalt, pflichtbewusst und korrekt, außerstande, die drei Kinder liebevoll oder auch nur freundlich zu behandeln. Diese zogen es vor, sich, solange sie durften, unten bei den Dienstboten aufzuhalten, aber meine Mutter und ihr Bruder John entwickelten sich trotzdem zu Snobs, um nicht zu sagen besessenen Mittelstandsvertretern, während das dritte Kind, Muriel, wieder einen Arbeiter heiratete. Obwohl meine Mutter eine wenn auch schwache Verbindung zu ihr aufrechterhielt, wollte der Vater danach nichts mehr mit ihr zu tun haben. Bei ihr schlage die Mutter wieder durch, sagten die Dienstboten.
    Er war also von beiden Töchtern enttäuscht. Als meine Mutter sich entschloss, Krankenschwester zu werden, anstatt zu studieren – John William hatte große Dinge mit ihr vor –, entzog er ihr auf ähnliche Weise seine Gunst.
    Allerdings nur, bis sie in ihrem Beruf Erfolg hatte, aber da war es zu spät, das Band war zerrissen. Meine Mutter hat nie mit liebevoller Anteilnahme von ihrem Vater gesprochen. Mit Respekt, ja, und mit Dankbarkeit dafür, dass er gut zu ihr gewesen war, denn er hatte dafür gesorgt, dass sie alles bekamen, wie es sich für Mittelstandskinder gehörte. Sie war auf einer guten Schule gewesen und hatte Musikunterricht bekommen, und sie spielte so gut, dass die Prüfer ihr gesagt hatten, sie könne als Konzertpianistin Karriere machen.
    Das Kapitel, das in diesem Generationenroman meiner Mutter gewidmet ist, verlangt nach einer traurigen Überschrift, und je älter ich werde, umso freudloser erscheint mir ihr Leben.
    Sie liebte ihre Eltern nicht. Und mein Vater liebte seine nicht. Ich habe Jahre gebraucht, um diese Tatsache zu begreifen, vielleicht weil er immer einen Witz daraus machte, dass er so früh und so weit wie möglich von zu Hause fortgegangen war, als Bankangestellter nach Luton.
    Mein Urgroßvater väterlicherseits, ein gewisser James Tayler, erscheint im Zensus von 1851 als Bauer mit
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